Patagonien 2023

stefanmitterer.de




Dieser Blog präsentiert die Erlebnisse meiner vierwöchigen Reise

vom 28. Januar bis zum 24. Februar 2023 durch Patagonien (Chile + Argentinien).


[Bild: Faszination Patagonien! Bei einer Besteigung des Loma del Pliegue Tumbado im Nationalpark Los Glaciares präsentieren sich die filigrane Felsnadel des Cerro Torre und der wuchtige (Cerro) Fitz Roy von ihrer besten Seite -

Diesen wohl wildesten Teil Patagoniens bei so schönem Wetter erleben zu dürfen, ist der Inbegriff von Freiheit und Glück]


[Bild: Perito-Moreno-Gletscher im Nationalpark Los Glaciares - Während die Touristen die bis zu 80 Meter hohe Kalbungsfront des ca. 25.000 ha (!) großen Auslassgletschers des Campo del Hielo Sur bewundern,

fliegt rechts unten (vor der Eiswand) ein majestätischer Andenkondor vorbei]


[Bild: Die imposanten Torres del Paine (die „Türme des blauen Himmels“) bilden das Herzstück des gleichnamigen weltbekannten Nationalparks im Süden von Chile - Der Ausblick vom Lago Torres (Base de las Torres) zählt wohl zum Eindrucksvollsten, was man in Patagonien erleben kann]


Der Blog ist in drei Teile gegliedert:


Teil 1
Chile

Carretera Austral
(Von Puerto Montt nach Villa O'Higgins)


Teil 2
Argentinien

Nationalpark Los Glaciares
(El Chaltén - El Calafate)


Teil 3
Chile

Nationalpark Torres del Paine (Puerto Natales),
Punta Arenas (Magellanstraße) und
Feuerland (Porvenir)
 


[Bild: Bei der Besteigung des Loma del Pliegue Tumbado im Nationalpark Los Glaciares fällt das Weitergehen nicht immer leicht, zu sehr fesselt der Blick zum grandiosen Cerro Torre (3128 m.) - Rechts der wuchtige Granitriese Cerro Piergiorgio und links davon der eisgepanzerte Cerro Domo Blanco: Eine einmalige, faszinierende Perspektive]


[Bild: Beim Fuerte Bulnes an der windgepeitschten Magellanstraße zwischen dem Südamerikanischen Festland und der Tierra del Fuego (Feuerland). Wie rau und unwirtlich die von den wilden Westwinden des Pazifik geformte Region ist, lässt sich an der Wuchsform der Bäume ablesen]


[Bild: Im Angesicht der farbenprächtigen Caldera des (aktiven) Volcán Chaitén im Nationalpark Pumalín im Norden Patagoniens - Kaum zu glauben, dass hier noch vor 15 Jahren das Inferno tobte]


Und hier noch 5 persönliche (allgemeine) Empfehlungen für eine Reise durch Patagonien

(basierend auf meinen subjektiven Erfahrungen):


Immer locker bleiben

Der Bus ist nicht zur angegebenen Uhrzeit da?
Die Fähre geht nicht, weil der Wellengang zu stark ist?

Beim morgendlichen Blick aus dem Fenster peitschen einem stürmischer Wind und Regen entgegen?

Der nächste Bus kommt erst in 6 Stunden

(oder gar morgen)?


Einfach das Beste aus der Situation machen!

Eine Reise durch Patagonien ist stets ein Balanceakt zwischen konsequenter Reiseplanung bzw. Vorbereitung, Laissez-faire, unvorhergesehenen Ereignissen und der Kunst formvollendeter Improvisation.


¿Hablas español?


Auch wenn man in touristischen Gegenden / Orten

wie El Chaltén, El Calafate, Puerto Natales oder dem Nationalpark Torres del Paine mit Englisch gut durchkommt, ist es von unschätztbarem (Mehr-)Wert, zumindest einige Sätze Spanisch zu können.

Das gilt besonders auf der Carretera Austral bzw. in weniger touristischen Regionen.

Nicht nur ist es wesentlich entspannter,

wenn man auf Spanisch nach dem Bus, Hostel oder Weg fragen, sich vorstellen und bedanken sowie selbstverständlich das Gastgeberland in höchsten Tönen loben kann, es öffnen sich einem auch ganz neue Türen,

vor allem im Gespräch mit den Einheimischen.



Communication is key



Auch wenn es immer eine gewisse Überwindung kostet, wildfremde Menschen anzusprechen, ist der Schlüssel zu einer gelungenen Patagonienreise das persönliche Gespräch mit den Menschen, die man unterwegs trifft.
Egal wie gut, schlecht oder eben gar nicht vorhanden die eigenen Fremdsprachenkenntnisse sind -
die Leute am besten einfach anreden, sich einfach trauen. Sich bewusst außerhalb der eigenen Komfortzone bewegen und das Gespräch mit den anderen Reisenden im Hostelzimmer, dem Guide, Ticketverkäufer, Kassierer oder auch dem Sitznachbarn im Bus suchen.
Wer weiß, welch spannende Geschichten
der potenzielle Gesprächspartner zu erzählen hat?



Ja wo bin ich denn?



Maps.me, Google Maps -
welchen Kartendienst man letztlich benutzt, ist Geschmackssache. Aber in jedem Fall sollte man eine offline verfügbare Karte Patagoniens auf seinem Smartphone dabei haben. Es erleichtert einem
(speziell wenn man keinen Empfang hat)
die Navigation und generelle Planung ungemein.
Sich stets darüber im Klaren sein,
wo man ist und wo man hin will, ist ein nicht zu unterschätzender Komfort- und Sicherheitsfaktor.



Der Weg ist das Ziel



Auch wenn man bei so einem abgedroschenen Satz normalerweise 10 Euro ins Phrasenschwein werfen muss, trifft er die Essenz einer Patagonienreise doch perfekt. Natürlich will (fast) jeder die Torres del Paine,

den Perito-Moreno-Gletscher, den Fitz Roy oder die Pinguine auf der Isla Magdalena sehen.

Aber letztlich ist Weg zu diesen spektakulären Orten das eigentliche Ziel. Die stundenlangen Bootsfahrten durch wilde Fjorde, die stürmische Magellanstraße oder entlegene Gletscherlagunen, die endlosen Weiten

der argentinischen Pampa, die unzähligen Wanderungen

zu Lagunas, Calderas und Miradores -

In Patagonien ist der Weg das eigentliche Ziel.



Für Fragen (z. B. zu den einzelnen Reisetagen) stehe ich jederzeit sehr gerne zur Verfügung.


Viel Spaß beim Lesen und Anschauen der Fotos!




[Bild: Cerro Torre (3128 m.) von Osten mit Torre Egger, Punta Herron und Aguja Standhardt rechts daneben -

Wohl einer der schönsten Berge der Welt und das Sehnsuchtsziel ambitionierter Profi-Alpinisten]


[Bild: Königspinguine im Parque Pingüino Rey in der Bahía Inútil im Westen von Feuerland]


[Bild: Ausblick vom Mirador de la Roca Negra (oberhalb von Puerto Río Tranquilo) über einen kleinen Nebenarm des Lago General Carrera (in Argentinien auch Lago Buenos Aires genannt) - Patagonien, wie es im Buche steht]



Reiseverlauf



Tag 1 + 2



Anreise nach Chile +
Von Puerto Montt nach Hornopirén


Chile


Tag 3


Von Hornopirén nach Chaitén


Tag 4



Parque Nacional Pumalín -
Volcán Chaitén, Sendero los Alerces
und Playa Santa Barbara



Tag 5 + 6



Von Chaitén nach Coyhaique +
Ruta de las Cascadas und Puerto Aysén



Tag 7



Von Coyhaique nach Puerto Río Tranquilo +
Capillas de Mármol



Tag 8



Tag 9





Tag 10



Tag 11 + 12





Tag 13 + 14



Laguna Torre (Versuch Nr. 1)
(Parque Nacional Los Glaciares) +
Fahrt nach El Calafate


Argentinien


Tag 15 + 16



Glaciar Perito Moreno
(Parque Nacional Los Glaciares)



Tag 17



Von El Calafate (zurück) nach El Chaltén +
Mirador de los Condores / de las Águilas



Tag 18



Laguna de los Tres
(Parque Nacional Los Glaciares)



Tag 19



Laguna Torre (Versuch Nr. 2)
(Parque Nacional Los Glaciares)



Tag 20





Tag 21 + 22



Chile

Tag 23




Tag 24 + 25




Tag 26




Tag 27 + 28




[Bild: Bei der berühmten Laguna de los Tres im Nationalpark Los Glaciares präsentiert sich der Fitz Roy (3405 m.) von seiner wohl schönsten Seite. Einer eisig-wilden Zackenkrone gleich, ragt „El Chaltén“ („der Rauchende“) zusammen mit seinen nicht minder imposanten Trabanten in den stürmischen Himmel Patagoniens - Ein Bild wie aus einer Sage]


[Bild: Zusammenfluss (Confluencia) von Río Baker und Río Neff - Hier ist das Patagonien,

wie man es sich immer erträumt (und gewünscht) hat]


[Bild: Fitz Roy (3405 m.) von Südosten mit der Aguja Poincenot (3002 m.) links daneben. Die bekannteste und „einfachste“ Route auf den wuchtigen Gipfel („Supercanaleta“) weist technische Schwierigkeiten bis V+ / VI- (Eis 60-80°) auf, zählt jedoch aufgrund der brutalen und absolut gradenlosen Witterungs- und Wetterverhältnisse zu den anspruchsvollsten Normalrouten auf einen großen Felsgipfel weltweit]


Tag 1 und 2
Anreise nach Chile -

Von Puerto Montt nach Hornopirén


Warum entscheiden wir uns für ein ganz konkretes Reiseziel? Wie entsteht der Entschluss, sich für ein bestimmtes Land, eine Region, Stadt, Tour oder Route zu entscheiden? Was treibt uns an, was motiviert uns, am Ende „Ja“ zu sagen, das gemütliche, heimische Wohnzimmer zu verlassen, Geld in die Hand zu nehmen und in die große, weite Welt hinauszuziehen? In meinem Fall waren es seit jeher wilde, raue, archaische Landschaften sowie die Gefühle von Freiheit und Unabhängigkeit, die mich dazu bewegt haben, eine Reise (oder auch Bergtour) zu unternehmen. Den Traum, Patagonien zu bereisen, hatte ich dabei tatsächlich schon viele Jahre - nicht zuletzt, weil früher ein Poster des Cerro Torre im Bad meiner Oma hing (das worauf man sehr regelmäßig blickt, bleibt einem wohl zwangsläufig im Gedächtnis...) - Doch ich wollte mich nicht einfach in ein Flugzeug setzen, unmittelbar vor Ort bei den vermeintlichen Highlights (Cerro Torre, Fitz Roy und Perito-Moreno-Gletscher im Nationalpark Los Glaciares sowie der Nationalpark Torres del Paine) ankommen und dann vor Ort Touren unternehmen. Das wäre mir zu banal gewesen. Beim Blick auf die Landkarte des 21. Jahrhunderts (auch bekannt unter dem Namen Google Maps) fällt mir bei der Recherche eine lange, verzweigte Straße namens Carretera Austral auf, die sich durch den nördlichen, chilenischen Teil Patagoniens von Puerto Montt über 1.000 km nach Süden windet, unterwegs von zahlreichen fjordbedingten Fähren unterbrochen wird und schließlich in einem kleinen Dorf namens Villa O'Higgins in unmittelbarer Nähe zum legendären Campo de Hielo (Patagónico) Sur endet. Von dort soll man angeblich mit einem Boot über den sogenannten Lago O'Higgins übersetzen und anschließend in Form einer langen Wanderung durch die Berge Argentinien (El Chaltén - Ausgangspunkt für den nördlichen Teil des Parque Nacional Los Glaciares) erreichen können. Klingt nach einem echten Abenteuer! Und genau nach dem, wonach ich gesucht habe. Als Rückflugort wähle ich die Stadt Punta Arenas an der Magellanstraße zwischen Patagonien und Feuerland. Was dazwischen passieren wird, ist nicht zuletzt aufgrund zahlreicher post-Covid bedingter Unsicherheiten (Busverbindungen, touristische Dienstleister etc.) weitestgehend offen. Klar sind (neben dem Start- und Zielpunkt sowie der ungefähren Route) lediglich die „Big 5“, die ich vollständig bereist (Carretera Austral) bzw. gesehen (Cerro Torre, Fitz Roy, Perito-Moreno-Gletscher und Torres del Paine) haben will. Auch habe ich abgesehen von den eben genannten Top-Zielen keinerlei bildlich-konkrete Vorstellungen von Patagonien. Speziell die Carretera Austral, wilder Südfortsatz der berühmten Panamericana, ist für mich Terra Incognita. Und so sind bald die Flugtickets gebucht, der Rucksack gepackt und ich befinde ich mich im (langen) Flug von München nach Puerto Montt.


Was habe ich mir da nur wieder vorgenommen...?


Puerto Montt, Verwaltungszentrum der chilenischen Región los Lagos und wichtiger Verkehrsknoten- bzw. Ausgangspunkt für die Carretera Austral, Fährverbindungen nach Patagonien und die Insel Chiloé, empfängt mich nach einer langen Anreise als das, was es auf den ersten Blick zu sein scheint: eine unspektakuläre, stellenweise (v. a. nachts) etwas zwielichtige Hafenstadt mit niedriger sechsstelliger Bevölkerungszahl. Hätte ich mehr als 4 Wochen Zeit, um z. B. die Seenregion (Región los Lagos) zu erkunden, wäre ich noch am Ankunftstag sogleich weiter ins nahe, viel schönere Puerto Varas gefahren. So dient mir Puerto Montt jedoch lediglich als Ausgangspunkt für den ersten Teil der Carretera Austral: die Fahrt nach Hornopirén. Und dieser erste spektakuläre Abschnitt zeigt mir sogleich, dass die Entscheidung goldrichtig war, sich Patagonien von Norden, von Chile her zu nähern. Eine wunderbare Fahrt entlang der Küste nach La Arena, eine kurze Fjorddurchquerung (Estero Reloncaví) mit dem Schiff und eine weitere Busfahrt durch grüne, hügelige Landschaften später spuckt mich der Bus im beschaulichen Fischerdorf Hornopirén wieder aus. Wer viel Zeit hat, kann von hier aus den wunderbaren, wenig besuchten Parque Nacional Hornopirén erforschen. Da ich aus logistisch-zeittaktischen Gründen morgen die einzige (!) Verbindung nach Chaitén nehmen muss, bleibt es in meinem Fall bei einem ausgiebigen Spaziergang durch die Bucht, was angesichts des atemberaubenden Wetters allerdings dem Inbegriff von Lustwandeln entspricht. Nach einem etwas holprigen Start in Puerto Montt (ich musste ungeplant ein paar Stunden auf die nächste Busverbindung warten) bin ich zum ersten Mal während dieser Reise so richtig glücklich! Die Carretera Austral nimmt Fahrt auf und ich freue mich unglaublich auf das, was vor mir liegt. Endlich wieder Backpacking! Geil!


[Bild: Schiffsfahrt durch den Fjord Estero Reloncaví - Wer die Carretera Austral so wie ich mit dem Bus bereist, erwirbt praktischerweise beim Kauf der Bustickets das entsprechende Ticket für die Fähre automatisch mit. Aussteigen und die Aussicht genießen, ist angesagt]


[Bild: Ohne zuverlässige Fährverbindungen wären die Orte und Städte entlang der Carretera Austral noch deutlich entlegener, als sie es ohnehin schon sind]


[Bild: Ankunft in Caleta Puelche auf der anderen Seite des Estero Reloncaví. Die Autofahrer machen sich schon bereit und scharren mit dem Gaspedal. Wieder an Land, geht es durch überraschend grüne, idyllische Landschaften auf direktem Weg nach Hornopirén]


[Bild: Ankunft in Hornopirén bei absolut perfektem Wetter. Nachdem ich eine Unterkunft gefunden habe, zieht es mich unweigerlich an den wunderbaren Hafen. Da es zu spät ist, um noch eine allzu ausgedehnte Tour in die Umgebung zu unternehmen, „begnüge“ ich mich mit einem langen Spaziergang um die Bucht, was angesichts des grandiosen Panoramas aber sowieso kaum zu toppen ist]


[Bild: Hornopirén versprüht eine entspannte, lässige Atmosphäre! Viele Reisende nehmen von Puerto Montt den Direktbus oder die Fähre nach Chaitén und lassen den Ort so aus. Wer die Zeit hat, sollte einen Besuch aber unbedingt in Betracht ziehen]


[Bild: Der etwa 500 km² große Parque Nacional Hornopirén überragt den gleichnamigen Ort und schützt eine abgelegene, nur über eine Hand voll schmaler Pfade zugängliche Wildnis. Kühlgemäßigter Regenwald (sog. Valdivianischer Wald) gibt unter anderem dem Chilenischen Huemúl, der Chilenischen Wildkatze und dem Zwerghirsch Pudú ein Zuhause]


[Bild: Das bescheidene Fischerdorf Hornopirén unterhalb des gleichnamigen Volcán ist das erste wichtige Etappenziel auf der Carretera Austral. Hornopirén lebt von der Lachszucht bzw. vom Tourismus und überzeugt durch seine atemberaubende Umgebung]


[Bild: Wer von Hornopirén aus weiter nach Süden Richtung Chaitén bzw. Caleta Gonzalo reisen will, MUSS die Fähre nehmen. Der Ort ist in dieser Hinsicht eine klassische Sackgasse in positiver Hinsicht]


[Bild: Hornopirén ist von den Gezeiten geprägt - Zahlreiche Fischerboote liegen festgemacht im Uferbereich und warten darauf, in See zu stechen]


[Bild: Der dem Nationalpark seinen Namen gebende und ironischerweise zugleich außerhalb des Schutzgebiet liegende Volcán Hornopirén ist das Wahrzeichen des Ortes]


[Bild: Wer ein bisschen aus dem Ort rausmarschiert und dabei stets in Wassernähe bleibt, stößt irgendwann auf wunderbaren, dunkel-braunen Sandstrand. Das Wasser ist zwar ziemlich kalt (da direkt mit dem Pazifik verbunden!) und häufig weht ein starker Wind, aber zum Entspannen kann man sich wohl kaum schönere Orte vorstellen]


[Bild: Ein paar Kühe durchqueren routiniert den Río Negro, während links im Hintergrund der dicht bewachsene Volcán Hornopirén stolz in den Himmel ragt]


[Bild: Ein Paradies für grasende Kühe! Unterwegs in der Bucht von Hornopirén]


[Bild: Ein wunderbarer, sonnig-heißer (!) Nachmittag in Hornopirén geht zu Ende. Morgen Vormittag geht es in Form von Fähre und (später) Bus weiter in Richtung Chaitén. Das Wetter scheint ebenfalls mitzuspielen (wobei man in Patagonien ja nie weiß...) und ich bin schon wahnsinnig gespannt, was mich morgen erwarten wird]


Tag 3
Von Hornopirén nach Chaitén


Trüber, grauer Himmel und leichter Nieselregen empfangen mich, als ich am Morgen vor die Tür meiner Unterkunft trete. Keine Spur mehr vom blauen Himmel des Vortags zu sehen! Egal, in Patagonien kann man bekanntermaßen alle 4 Jahreszeiten an einem einzigen Tag erleben. Vielleicht bessert sich das Wetter ja noch im Laufe des Tages. Nachdem ich den (einzigen) Bus (des Tages) von Puerto Montt nach Chaitén erwischt habe, geht es sogleich zum Hafen von Hornopirén und auf die Fähre. Es gilt zunächst, einen ca. 50 km langen Fjord in südliche Richtung zu überqueren. Anschließend wird der Bus ein kurzes Stück an Land zurücklegen, um kurz darauf erneut einen kleinen Fjord (mit einer anderen Fähre) nach Caleta Gonzalo zu durchqueren. Von dort wird es dann noch ca. 1,5 h mit dem Bus bis nach Chaitén gehen. So der Plan.


Und schon nach kurzer Zeit wird mir klar, dass mir die Götter erneut wohlgesonnen sind. Mit jeder Minute bessert sich das Wetter, bis es schließlich ab dem späten Vormittag wieder strahlend sonnig ist. Und auch die die Fjorde einrahmende Landschaft präsentiert sich einladend und so ganz anders, als ich es erwartet hätte. Keine kargen, trostlosen Hänge flankieren das karibisch anmutende Wasser, sondern mit dichtem Regenwald bewachsene, imposante Berge, die direkt ins Meer münden. In Kombination mit dem mal azurblauen, mal milchiggrünen Wasser fühlt man sich dezent an die Kalksteininsel-Wunderwelten Südostasiens erinnert - und das in Patagonien! Als mich der Bus schließlich nach einigen Stunden in Chaitén ausspuckt, wird mir klar, dass ich (nahezu) sämtliche Vorurteile über Patagonien revidieren muss. Ein traumhaft schöner, riesiger (!) Sandstrand trennt die kleine Stadt vom Meer. Umgeben vom berühmten Parque Nacional Pumalín und dem aktiven Volcán Chaitén, dem ich morgen einen Besuch abstatten will, präsentiert sich Chaitén als entspanntes, lässiges Kleinod und Outdoorparadies direkt am Meer. Einen ausgedehnten Spaziergang am Pazifik später wird mir klar, dass ich hier mein erstes großes Highlight in Patagonien gefunden habe. Ich bin erst 3 Tage unterwegs und fühle mich doch bereits so unendlich weit weg vom Alltag in Deutschland - ein gutes Zeichen.


[Bild: Bei der Fahrt von Hornopirén nach Chaitén passiert man mehrere eindrucksvolle Fjorde. Bei so schönem Wetter wie heute ist das ein Fest für die Sinne]


[Bild: Wie gerne ich hier mit einem Kajak einsame, abgelegene Strände ansteuern würde...]


[Bild: Lesson learned: Der chilenische Teil Patagoniens hat (v. a. im Norden) in landschaftlicher Hinsicht (optisch) teilweise mehr mit Südostasien gemeinsam, als mit den wüstenartigen Weiten der argentinischen Pampa]


[Bild: Die Fähren von Hornopirén nach Chaitén passieren atemberaubend schöne, von kühlgemäßigtem Regenwald (Valdivianischem Wald) bewachsene Berglandschaften - Was für ein Panorama!]


[Bild: Während der Fährfahrten in Richtung Chaitén kann man gepflegt die Seele baumeln und den Gedanken freien Lauf lassen. Die spektakulären Regenwälder der umliegenden Nationalparke ziehen dabei alle Blicke auf sich]


[Bild: Die nicht ganz aneinander grenzenden Nationalparke Hornopirén und Pumalín bilden zusammen eines der artenreichsten und größten Regenwaldschutzgebiete Chiles - In weiten Teilen herrlich unzugängliche, totale Wildnis]


[Bild: Chaitén wurde 2008 durch den heftigen Ausbruch des (sehr) nahen Volcán Chaitén (nicht im Bild) fast vollständig zerstört. Die Bevölkerung widersetze sich den Plänen der Regierung, den Ort einige Kilometer entfernt wieder aufzubauen. Chaitén wurde wiedererrichtet und die Menschen sind zurückgekehrt. Angesichts der zwar gefährlichen, zugleich jedoch wunderbaren Ortslage nur allzu verständlich, abgesehen natürlich von der Tatsache, dass fast niemand gerne bzw. freiwillig seine Heimat aufgibt]


[Bild: Am Strand von Chaitén - Er ist fußläufig vom Ort zu erreichen und so weitläufig, dass man hier kaum auf Menschen treffen wird]


[Bild: Der in seinen Dimensionen kaum fassbare Strand von Chaitén lädt zu ausgedehnten Spaziergängen ein. Für mich persönlich ist dies einer der schönsten Strände meines Lebens, man könnte es hier in meinen Augen problemlos einige Tage (oder auch Wochen) aushalten]


[Bild: Chaitén ist einer lohnendsten Orte entlang der Carretera Austral und Pflichtstop für jeden Reisenden - Nicht nur wegen der spektakulären Umgebung (z. B. Parque Nacional Pumalín), sondern v. a. aufgrund seiner Lässigkeit]


[Bild: Bei Flut bzw. Überflutungen wird auf dem gewaltigen Strand von Chaitén Treibgut abgelagert, während im Hintergrund der Volcán Corcovado stolz in den Himmel ragt]


[Bild: Der Strand von Chaitén ist der ideale Ort für einen entspannten Sundowner]


[Bild: Blick vom Ort zum rauchenden Volcán Chaitén - Die Bevölkerung hat gelernt, mit der ständigen Bedrohung durch den Vulkan zu leben]


[Bild: Abendstimmung in Chaitén - Die Bergspitzen oberhalb des Ortes erstrahlen im letzten Licht des Tages]


Tag 4

Parque Nacional Pumalín (Douglas Tompkins) -

Volcán Chaitén, Sendero los Alerces und Playa Santa Barbara


Als im Mai 2008 der Volcán Chaitén mit aller Wucht ausbrach und der gleichnamige Ort von einer massiven Aschewolke bedeckt bzw. schließlich durch einen Lahar fast vollständig zerstört wurde, wurden von der Chilenischen Regierung Anstrengungen unternommen, den Ort in einigen Kilometern Entfernung wieder neu aufzubauen. Doch die Bewohner Chaiténs wehrten (bzw. weigerten) sich und bauten stattdessen ihre Heimat stolz wieder auf. Als dann schließlich sogar im Jahr 2017 der bis dato private (!) Parque Pumalín von der Familie des US-amerikanischen Philanthropen Douglas Tompkins (Gründer von „The North Face“) an den Chilenischen Staat übergeben und in einen Nationalpark umgewandelt wurde, schien in Chaitén endgültig wieder (metaphorisch gesprochen) die Sonne der Hoffnung. Der durch den Vulkanausbruch enorm vergrößerte, wunderschöne (!) Strand, der atemberaubend-ursprüngliche Nationalpark Pumalín und nicht zuletzt die gute Anbindung nach Chiloé und Puerto Montt sowie die wichtige Lage entlang der Carretera Austral machen die Region zu einem der lohnendsten Ziele im Norden Patagoniens. Ich nehme mir deswegen auch (immerhin) einen ganzen Tag Zeit, um die Region so gut es geht zu erforschen. Da ich seit meinen Aufenthalten in Ecuador und Island ein Faible für vulkanische Landschaften habe, ist mein erstes Ziel natürlich die Caldera des nahen Volcán Chaitén. Nach einem anstrengenden, sonnenexponierten Anstieg erreiche ich schließlich die farbenprächtige Caldera und bin sprachlos...So wie auch ein paar Stunden später im Angesicht der erhabenen, dezent an Mammutbäume erinnernden Alerce (Patagonische Zypresse) sowie am wunderbaren Sandstrand Playa Santa Barbara. Im Nachhinein waren Chaitén und sein Nationalpark für mich eines der großen Highlights der gesamten Patagonienreise. Wer hier bei schönem Wetter durchkommt und nicht anhält, der (vorsichtig ausgedrückt) verpasst etwas.


[Bild: Am Beginn des Aufstiegs zur Caldera des Volcán Chaitén - Der Aufstieg führt in 2-3 Stunden über etwa 600 sonnenversengte Höhenmeter in Richtung des rauchenden, links hinten erkennbaren Vulkankraters]


[Bild: Ausblick beim Aufstieg zum Volcán Chaitén zurück ins Tal und zum Río Rayas - Das Landschaftsbild ist so ganz anders, als ich es mir im Hinblick auf Patagonien vorgestellt hatte: Dichter, gemäßigter Regenwald dominiert die Szenerie]


[Bild: Vom Rande der Caldera des Volcán Chaitén hat man einen atemberaubenden Blick ins Tal und zum Flussbett des Río Rayas sowie zum wunderbaren Lago Río Blanco rechts im Hintergrund - Was für eine grandiose Szenerie!]


[Bild: Tiefblick von der Caldera des Volcán Chaitén zum Río Rayas, welcher letztlich in der Ferne in den Pazifik mündet]


[Bild: Die farbenprächtige Caldera des Volcán Chaitén ist mit einigen kleineren Seen gefüllt, welche sich am Rand der Lavadome befinden]


[Bild: Ausblick von der Caldera des Volcán Chaitén in den Krater, welcher fast vollständig mit aus farbenfrohem Rhyolith bzw. Obsidian bestehenden Lavadomen gefüllt ist. Links oben erkennt man anhand der aufsteigenden Gase, dass es tief im Vulkan nach wie vor brodelt]


[Bild: Vulkane wie der Chaitén sind ein faszinierendes Beispiel für die unfassbaren Urgewalten, die unsere Erde geformt haben und dies auch weiterhin tun]


[Bild: An einem traumhaften Tag wie heute ist die Wanderung zum Vulkankrater des Chaitén die wohl lohnendste Tagestour, die man im näheren Umfeld im Nationalpark Pumalín unternehmen kann. Technisch ist der Weg zur Caldera nicht schwierig, aber das Ganze ist (v. a. bei intensiver Sonneinstrahlung bzw. großer Hitze) anstrengend und sollte aufgrund des mitunter (in meinen Augen) unrhythmisch angelegten Weges nur bei guter körperlicher Verfassung in Angriff genommen werden]


[Bild: Wer (wie ich) ein großes Faible für vulkanische Landschaften hat, kommt bei einer Tour zur Caldera des Volcán Chaitén voll auf seine / ihre Kosten: Die Ausblicke zur rötlichen Rhyolith-Wunderwelt des dampfenden Gipfels sind einfach faszinierend!]


[Bild: Auf der Fahrt zum Sendero los Alerces kommen wir an einem einfach erreichbaren Aussichtspunkt für den Lago Río Blanco vorbei...und sind nicht zum ersten Mal an diesem Tag sprachlos, angesichts der herrlichen Eindrücke, die uns der Nationalpark Pumalín bietet]


[Bild: Unterwegs auf dem etwa 1 km langen Sendero los Alerces in der Nähe von Caleta Gonzalo im Nationalpark Pumalín]


[Bild: Die Patagonische Zypresse oder „Alerce“ (Fitzroya cupressoides) wird bis zu 55 Meter hoch und erreicht Stammdurchmesser von über 3,5 Meter (!) - Alercen können ein biblisches Alter von über 3000 Jahren erreichen (der offiziell gemessene Rekord beträgt 3622 Jahre) und sind eine von nur 7 Baumarten, die in Anhang I des Washingtoner Artenschutzübereinkommens gelistet sind. Der internationale Handel ist somit kategorisch verboten und der Baum (da er in den vergangenen Jahrhunderten in Patagonien exzessiv gefällt wurde und z. B. für den Hausbau bzw. Holzschindeln hergenommen wurde) streng geschützt. Diese majestätischen, an Mammutbäume erinnernden Giganten werden heute stattdessen touristisch vermarket und u. a. (in moderatem Umfang) durch einen kleinen Rundwanderweg im Nationalpark Pumalín erschlossen. Wenn dies dazu führt, dass das Bewusststein für die Notwendigkeit des Schutzes dieses (nur in Nordpatagonien vorkommenden!) Baumes verbessert wird, eine zu begrüßende Entwicklung]


[Bild: Die wunderbare Playa Santa Barbara in der Nähe von Chaitén zählt aufgrund ihres rötlich-braunen Sandes zu den landschaftlich schönsten Stränden Patagoniens]


[Bild: Abendstimmung an der Playa Santa Barbara (= „Strand der heiligen Barbara von Nikomedien“) - Ein unvergesslicher Tag im Parque Nacional Pumalín neigt sich dem Ende entgegen. Wir haben die farbenfrohe, intensiv dampfende Caldera des Volcán Chaitén erklommen, der altehrwürdigen Patagonischen Zypresse (Alerce) den gebührenden Respekt gezollt und den Inbegriff eines lässigen Tagesausklangs an den sandigen Ufern des Pazifik erlebt - Was für ein toller Tag! Das Leben ist schön]


Tag 5 und 6

Von Chaitén nach Coyhaique -

Ruta de las Cascadas und Puerto Aysén


Wer die Carretera Austral bereist und nur begrenzt Zeit zur Verfügung hat, muss zwangsläufig eine Auswahl der Orte und Regionen treffen, die man besuchen möchte. Zwischen Chaitén und Coyhaique liegen über 400 km Strecke und damit fast ein Drittel der gesamten Carretera Austral. Futaleufú, Puyuhuapi, der Nationalpark Queulat - es gibt zahlreiche, ungemein lohnende Optionen entlang der Strecke für einen längeren Stopp. Wer sich Zeit lassen kann und nicht auf den Kalender schauen muss, wird auf der Reise nach Coyhaique die „Ende-der-Welt“- und Grenzlanderfahrung machen, die man vielleicht immer gesucht hat.


Da ich nach dem gestrigen grandiosen Tag im Nationalpark Pumalín jedoch heute wieder Strecke machen muss, lautet die Devise an Tag 5: Eine Busfahrt die ist lustig, eine Busfahrt die ist schön! 8-10 Stunden dauert die Fahrt von Chaitén bis nach Coyhaique (mit dem Auto ist das auch in 6-7 Stunden zu schaffen). Das hört sich nach einem zähen Tag an, die beständig am Fenster vorbeirauschende, grandiose Landschaft Nordpatagoniens trägt jedoch dazu bei, dass die Zeit wie im Flug vergeht. Da nur ein Teil der Strecke asphaltiert ist und der Bus (v. a. südlich von Puyuhuapi) teilweise ziemlich ruppige, extrem kurvenreiche Steilpassagen bewältigen muss, ist das Ganze zudem ein kleines Abenteuer für sich. Je näher man letztlich Coyhaique kommt, desto deutlicher wandelt sich die Landschaft. Die üppige Vegetation des von dichtem, gemäßigtem Regenwald geprägten Nordens verschwindet und macht Platz für die weiten Steppen Zentralpatagoniens. Coyhaique selbst ist mit ca. 60.000 Einwohnern die größte Stadt im weiten Umkreis und der Knotenpunkt Zentralpatagoniens. Die Stadt an sich ist nur mäßig interessant und v. a. ein nützlicher Ort, um die Vorräte aufzustocken und eine Tour in die Umgebung zu organisieren - so auch in meinem Fall. Um einen guten Eindruck der Región de Aysén zu bekommen, nehme ich am kommenden Tag an einer Tour entlang der sogenannten Route der Wasserfälle („Ruta de las Cascadas“) nach Puerto Aysén teil. Dabei besichtigt man ein paar schöne Wasserfälle, den Fluss Río Simpson und eine Mini-Version der Golden Gate Bridge in Puerto Aysén. Das lohnt in Summe (v. a. wenn man einen so sympathischen und motivierten Guide hat wie wir), ich freue mich jedoch schon auf die Fortsetzung der Reise in Richtung Puerto Río Tranquilo und zu den berühmten Capillas de Mármol.


[Bild: Villa Santa Lucia, auf halber Strecke zwischen Chaitén und Puyuhuapi mitten im Nirgendwo gelegen, wird im Westen und Osten von eindrucksvollen Gebirgsketten eingerahmt und stellt einen willkommenen Zwischenstopp auf der Fahrt nach Coyhaique dar]


[Bild: Blick von La Junta zum einsamen Cerro Barros Arana]


[Bild: Bei der kleinen Ortschaft Villa Mañihuales ist der Zielort (Coyhaique) nicht mehr weit weg]


[Bild: Ausblick über Coyhaique, die „große“ de-facto-Hauptstadt von Zentralpatagonien]


[Bild: Der wunderbare Río Simpson ist Bestandteil einer (immerhin) über 400 km² großen Reserva Nacional und ein beliebtes Ausflugsziel westlich von Coyhaique]


[Bild: Ausblick über den Río Simpson, welcher letztlich bei Puerto Chacabuco (in der Nähe von Puerto Aysén) ins Meer mündet]


[Bild: Cascada (de) la Virgen (Wasserfall der Jungfrau) zwischen Coyhaique und Puerto Aysén]


[Bild: Die Cascada (de) la Virgen ist Bestandteil einer jeden Ruta-de-las-Cascadas-Tour und aufgrund der leichten Erreichbarkeit (direkt neben der Straße zwischen Coyhaique und Puerto Aysén) vielbesucht]


[Bild: Auf dem Weg zur Cascada (Salto) del Léon - 20 km (Hin und Zurück) sind es von der Ruta 240]


[Bild: Cascada (Salto) del Léon - Der (in meinen Augen) schönste Wasserfall entlang der Ruta de las Cascadas]


[Bild: Die Puente Presidente Ibáñez bei Puerto Aysén ist seit 2002 Monumento Nacional de Chile und aufgrund ihrer markanten, dezent an die Golden Gate Bridge erinnernden Farbe ein echter Touristenmagnet]


Tag 7

Von Coyhaique nach Puerto Río Tranquilo -

Capillas de Mármol


Eigentlich gehört ein Besuch des Parque Nacional Cerro Castillo bei einer Reise entlang der Carretera Austral zum absoluten Pflichtprogramm...eigentlich. Denn aus logistisch-Busverbindungstechnischen Gründen muss ich es heute bis Puerto Río Tranquilo schaffen, da ich einen Tag später eine (ziemlich teure!) Tour zur entlegenen Laguna San Rafael unternehmen will. Da ich bei der Anreise nach Puerto Río Tranquilo aber immerhin so früh vor Ort ankomme, dass noch problemlos eine Bootstour zu den berühmten Capillas de Mármol (Marmorkapellen“ / mit Wasser gefüllte Höhlen und Felsformationen aus bläulich-schimmerndem Kalkstein am Rande des Lago General Carrera) drin ist und man zudem immerhin am Cerro Castillo vorbeikommt, ist das Ganze letztlich ein fairer Kompromiss.


Früh am Morgen geht es daher von Coyhaique über Villa Cerro Castillo zum gigantischen Lago General Carrera (in Argentinien wird er Lago Buenos Aires genannt), welcher mit ca. 1850 km² mehr als 3x so groß wie der Bodensee (und auch 3x so tief wie der Königssee) ist. An seinem Westufer fahren wir bei erneut traumhaft schönem Wetter immer weiter nach Süden, bis wir schließlich das kleine Örtchen Puerto Río Tranquilo erreichen. Vor nicht allzu langer Zeit nicht viel mehr als eine günstige Gelegenheit zum Tanken, kommen seit einigen Jahren immer mehr Touristen hierher, um die atemberaubenden (und vergleichsweise einfach bzw. schnell zu erreichenden) Capillas del Mármol zu besichtigen. Die Boote fahren zwar nicht immer, da die vom nahen Campo del Hielo Norte herüber wehenden Westwinde oftmals so stark sind, dass eine Fahrt auf dem See zu gefährlich wäre. Wir haben jedoch Glück. Kurz nachdem wir den Ort erreicht haben, geht es auch schon auf das Boot und in Richtung der eindrucksvollen Marmorformationen. Und auch wenn es sich bei dieser (sehr touristischen) Attraktion ganz klar um Massenabfertigung handelt, so sind die Capillas doch in jedem Fall einen Besuch wert, v. a. bei schönem Wetter. Eine Boots- oder Kanutour auf dem Lago General Carrera wird in jedem Fall im Gedächtnis bleiben. Nachdem am Nachmittag schließlich alle organisatorischen Fragen im Hinblick auf den kommenden Tag (Parque Nacional Laguna San Rafael) geklärt sind, unternehme ich unter Zuhilfenahme von Online-Karte und GPS noch eine kleine Mini-Wanderung zum Aussichtspunkt Mirador de la Roca Negra oberhalb von Puerto Río Tranquilo (ca. 300 Höhenmeter / einfache Pfade ohne technische Schwierigkeit, aber auch keinerlei Schilder oder Wegweiser). Bei der Tour zu diesem grandiosen Aussichtspunkt kommen mir nur 2 Personen entgegen, während man sich an den Stränden unten in Puerto Río Tranquilo praktisch gegenseitig auf die Füße tritt. Das Ganze ist in gewisser Weise wohl noch ein kleiner Geheimtipp! Wer also nach einer Bootstour auf dem Lago General Carrera (so wie ich) noch nicht ausgelastet ist, sich einen beispiellos schönen (!) Überblick über die Umgebung verschaffen und dabei ein bilderbuchmäßiges Patagonien-Panorama à la #Postkartenmotiv erleben will: Here you go.


[Bild: Cerro Castillo (zu Deutsch: „Schlossberg“) im ersten Licht des Tages vom gleichnamigen Dorf Villa Cerro Castillo]


[Bild: Die schroffen Basaltspitzen des Cerro Castillo sind das Herzstück des gleichnamigen, ca. 180.000 ha großen Nationalparks, der im Jahr 2017 ins Leben gerufen wurde. Der Parque Nacional Cerro Castillo umfasst vielfältigste Landschaften, darunter Gletscher und Südbuchenwälder, und ist die Heimat unzähliger bedrohter Tierarten. Die Wandermöglichkeiten (darunter der anspruchsvolle, mehrtägige Cerro Castillo Circuit) sind zudem vom Feinsten]


[Bild: Unterwegs auf der Carretera Austral zwischen Villa Cerro Castillo und Lago General Carrera in Zentralpatagonien: Freiheit pur!]


[Bild: Teile des Parque Nacional Cerro Castillo befinden sich in Privatbesitz. Die zahlreichen Weidezäune entlang der Carretera Austral zeugen davon, dass man nicht überall nach Lust und Laune einfach querfeldein wandern kann]


[Bild: An den Ufern des gigantischen Lago General Carrera bei Puerto Río Tranquilo - Auch wenn das Wasser einladend aussieht, so ist es doch ziemlich kalt (weil von Gletschern gespeist) und generell unglaublich windig]


[Bild: Puerto Río Tranquilo verfügt über einen herrlichen Sandstrand direkt neben dem Ort, an dem man die Seele wunderbar baumeln lassen kann]


[Bild: Die Capillas de Mármol kann man auf verschiedenste Art und Weise erreichen. Die meisten Touristen unternehmen (so wie ich) eine 1,5-2 stündige Bootstour ab Puerto Río Tranquilo, wobei man die Capillas allerdings auch auf eigene Faust (z. B. mit dem Kajak) ansteuern kann. In jedem Fall muss das Wetter mitspielen - Bei starkem Wellengang ist es gut möglich, dass die Boote nicht ausfahren bzw. die Kajaks nicht verliehen werden, das Wasser ist nämlich eisig kalt!]


[Bild: Bei einer Bootstour zu den Capillas de Mármol gehört die Fahrt in die scheinbar lichtlosen Höhlen unterhalb der schroffen Klippen zu den absoluten Highlights]


[Bild: Im Inneren der faszinierenden Kalksteinhöhlen der Capillas de Mármol - Im Laufe der Jahrtausende haben sich unter der beständigen Einwirkung des Wassers einmalig schöne Felsformationen gebildet, die (je nach Lichtverhältnissen) ganz unterschiedlich wirken können]


[Bild: Unterwegs auf dem Lago General Carrera im Herzen Patagoniens - Was für ein wunderbarer Tag!]


[Bild: Das Wasser des Lago General Carrera ist so klar, dass man (wenn der Wind bzw. Wellengang nicht zu stark ist) teilweise mehrere Meter tief nach unten schauen und die unter Wasser liegenden Felsformationen erkennen kann]


[Bild: Auf dem Weg zu La Catedral, der wuchtigen Kathedrale der Capillas de Mármol]


[Bild: Die sogenannte Kathedrale der Capillas de Mármol wird von den meisten Booten umrundet und ist so groß, dass auf ihr sogar Bäume wachsen]


[Bild: Die berühmteste der Capillas de Mármol, die sogenannte Kapelle („Capilla“) - Wer genau hinschaut, erkennt vielleicht die Kontur eines Gesichtes]


[Bild: Ausblick vom Mirador de la Roca Negra (oberhalb von Puerto Río Tranquilo) über den westlichen Teil des Lago General Carrera]


[Bild: Der Mirador de la Roca Negra gehört wohl zu den schönsten Aussichtspunkten im weiten Umkreis und ist zugleich vergleichsweise einfach in ca. 1 Stunde (ab Ortszentrum) zu erreichen. Bei schönem Wetter kann man es sich hier oben gemütlich machen und den grandiosen Lago General Carrera in all seinen azurblauen Facetten bewundern]


[Bild: Tiefblick vom Mirador de la Roca Negra zum Beginn der Straße ins Valle Exploradores („Tal der Forscher“ oder auch „Tal der Entdecker“) - Morgen früh wird es über diese Straße in Richtung Parque Nacional Laguna San Rafael gehen]


[Bild: Auf dem Mirador de la Roca Negra (zu Deutsch: „Aussichtspunkt des schwarzen Felsen“) - Hier ist das Patagonien, wie es im Bilderbuch steht und wie man es sich immer gewünscht hat ]


Tag 8

Parque Nacional Laguna San Rafael

(Campo del Hielo Norte)


Wer immer schon einmal Auge in Auge mit einer gigantischen, mehrere dutzend Meter hohen Eiswand eines direkt ins Wasser kalbenden Gletschers stehen wollte, denkt bei Patagonien (bzw. Südamerika) natürlich zuerst an den weltberühmten Perito-Moreno-Gletscher bei El Calafate. Dieser ist zugleich ein (kleiner) Auslassgletscher des riesigen Campo del Hielo Sur, des Südlichen Patagonischen Eisfelds - der flächenmäßig größten Eisfläche der Südhalbkugel außerhalb der Antarktis. Doch es gibt noch eine weitere, etwas „kleinere“ Eisfläche einige hundert Kilometer weiter nördlich, das Campo del Hielo Norte. Dieses ca. 3.700 km² (!) große, geschlossene Eisfeld ist die Heimat unzähliger wilder Auslassgletscher, des höchsten Berges der gesamten Patagonischen Anden (Monte San Valentín) und der in weiten Teilen völlig unzugänglichen, totalen Wildnis des Parque Nacional Laguna San Rafael. Eine Tour in diese entlegene Welt will gut geplant sein, zumal das Klima unglaublich rau, gar menschenfeindlich ist. So viel zum Setting...


Erreichen kann man die von Eisbergen geprägte, atemberaubend schöne Laguna San Rafael (klassisch) via Puerto Chacabuco oder von Puerto Río Tranquilo aus durch das Valle Exploradores, die erst seit ein paar Jahren bestehende (moderne) Variante. Am Endpunkt einer staubigen Straße ins Nirgendwo angekommen, geht es von der Delta-artigen Mündung des Río Exploradores schließlich per Boot weiter. Die Laguna San Rafael ist nämlich nur über das Wasser zu erreichen. Dafür geht es (nachdem wir das Labyrith der Flussmündung verlassen haben) durch einen gewaltigen Fjord in Richtung Süden - zur Linken die wilden, laut Bootsführer in weiten Teilen noch unbestiegenen (!) Berge der Westabstürze des Campo del Hielo Norte, zur Rechten vollkommen unberührte, menschenleere Torfmoor- und Regenwald-Wildnis. 5.000 mm Niederschlag pro Jahr und ein beständig von Westen wehender, rauer Wind führen dazu, dass der Parque Nacional Laguna San Rafael praktisch nur im Rahmen touristischer Exkursionen und wissenschaftlicher Expeditionen aufgesucht wird. Es ist ein unglaubliches Gefühl, mit dem Boot durch diese so entlegene Welt zu rauschen und sich zugleich bewusst zu werden, dass man hier eigentlich als Mensch so gar nicht hingehört. Kurze Zeit später stehen wir im Angesicht der gigantischen Kalbungsfront des San-Rafael-Gletschers, welcher direkt in die Laguna San Rafael mündet - ein Anblick welcher jeglicher Beschreibung trotzt. Sollen die Bilder für sich sprechen...


[Bild: Am Ende der Straße durch das Valle Exploradores - Auch wenn seit einigen Jahren eine vergleichsweise komfortable Straße durch dieses Tal führt, befindet man sich hier doch trotzdem mitten im Nirgendwo]


[Bild: Laut unserem Guide dürften die meisten der westlichen Gipfel des Campo del Hielo Norte noch nie von Menschen betreten worden sein - Ein faszinierendes Gefühl, sich vorzustellen, als womöglich erster Mensch über diese unberührten Bergkämme zu kraxeln...]


[Bild: Im Westen des Fjords zeigt sich eine von dichtem, gemäßigtem Regenwald geprägte, hügelige Wildnis, die sogenannte Península de Taitao (Taitao-Halbinsel) - Dort gibt es auf tausenden (!) von Quadratkilometern keine Siedlungen, keine Straßen und Wege, nur Flora und Fauna und die ungezügelten, rohen Elemente der Natur. Welche Spuren dort indigene Ureinwohner womögich hinterlassen haben, ist größenteils unbekannt, da weite Teile der Halbinsel noch unerforscht sind. Bis zu 5.000 mm Niederschlag pro Jahr und eine Durchschnittstemperatur von nur 5 °C erschweren zusammen mit dem unzugänglichen Terrain die meisten Annäherungsversuche]


[Bild: Das Campo del Hielo Norte präsentiert sich im Westen als langgezogener Gebirgskamm, der zum Wasser hin in unzugänglichen, dicht bewaldeten Steilflanken abbricht]


[Bild: Immer wieder erhaschen wir bei der langen Bootsfahrt zur Laguna San Rafael kurze Einblicke in die westlichen Randabstürze des Campo del Hielo Norte, welches in Form von Auslassgletschern an einigen Stellen bis auf Meereshöhe reicht]


[Bild: Für einen kurzen Moment zeigt sich (links hinten) der höchste Berg von ganz Patagonien, der Monte San Valentín (4058 m.), in all seiner eisigen Pracht - Ein unvergesslicher Moment]


[Bild: Aufgrund der speziellen topographischen Lage und der klimatischen Verhältnisse (über 5.000 mm jährlicher Niederschlag und totale Exponiertheit hin zu den konstant wehenden, rauen Westwinden des Pazifik) kann es im Parque Nacional Laguna San Rafael oft wochenlang, manchmal sogar monatelang regnen und stürmen - Dass so schöne Tage wie heute nicht die Regel sind, ist noch vorsichtig ausgedrückt]


[Bild: Erste Eisschollen tauchen im Bereich des Río Témpranos auf - Die Laguna San Rafael ist nun nicht mehr weit weg]


[Bild: Nach dem Besuch des Jökulsárlón-Sees in Island im Jahr 2017 sehe ich in der Laguna San Rafael schließlich zum zweiten Mal in meinem Leben Eisberge. Die meisten der von der Kalbungsfront des San-Rafael-Gletschers abgebrochenen Eisberge sind eher klein und nicht mit den Giganten der Polarregionen zu vergleichen. Trotzdem ist es ein unvergleichliches Gefühl, sie sanft und bläulich-schimmernd vorbeiziehen zu sehen]


[Bild: In der ca. 123 km² großen Laguna San Rafael im gleichnamigen Nationalpark]


[Bild: Je näher wir dem San-Rafael-Gletscher kommen, desto größer und wuchtiger werden die Eisberge - Wie viele Tonnen wohl dieser eisige Koloss wiegt...?]


[Bild: San-Rafael-Gletscher im Parque Nacional Laguna San Rafael - Der dem Äquator am nächsten liegende Gletscher, welcher sich auf unmittelbarer Meereshöhe befindet]


[Bild: Die Kalbungsfront des San-Rafael-Gletschers ist stellenweise 50-60 Meter hoch und erzeugt beständig knackende Geräusche, wenn größere Eisblöcke abbrechen und in die Lagune stürzen]


[Bild: Die Vorstellung, dass diese gewaltige Front aus Eis nur ein kleiner Auslassgletscher des gigantischen Campo del Hielo Norte ist, ist praktisch nicht zu fassen! Im Angesicht des San-Rafael-Gletschers ist man plötzlich ganz still...]


[Bild: Was für eine Wand: Alleine der San-Rafael-Gletscher ist ca. 10x so groß wie der größte Alpengletscher (Aletsch) - Was für Dimensionen!]


[Bild: Die meisten Anbieter von Tagestouren zur Laguna San Rafael verbringen ca. 1-2 Stunden in unmittelbarer Nähe zum Gletscher. Das ist absolut ausreichend, um einen guten Eindruck von der Umgebung zu bekommen und Fotos aus den unterschiedlichsten Perspektiven zu machen. Selbst an einem vergleichsweise schönen Tag wie heute ist es nämlich sehr, sehr kalt. Ein eisiger Wind kommt beständig über den Gletscher vom Campo del Hielo Norte heruntergeweht]


[Bild: Ein weiteres Boot nähert sich vorsichtig dem San-Rafael-Gletscher - Man sollte immer ausreichend Abstand von der Kalbungsfront halten, da es jederzeit zu einem massiven Abbruch (und damit auch zu einer Flutwelle) kommen kann]


[Bild: Auf dem Rückweg von der Laguna San Rafael kommen wir an diesem gottverlassenen Mini-Leuchtturm vorbei, während im Hintergrund die westlichen Bergmassive des Campo del Hielo Norte stolz in den Himmel ragen]


[Bild: Impressionen des Parque Nacional Laguna San Rafael - Eine Tour in dieses wunderbare Stück patagonischer Wildnis gehört wohl zum Eindrucksvollsten, was man in Chile und Argentinien unternehmen kann]


[Bild: Unterwegs in den weiten Fjordlandschaften des Parque Nacional Laguna San Rafael]


[Bild: Irgendwie ist es beruhigend zu wissen, dass der Mensch dieser abweisenden (und zugleich wunderschönen) Region nur ganz rudimentäre Infrastruktur abgetrotzt hat. Der Parque Nacional Laguna San Rafael gehört der Natur und sonst niemandem. Und das ist auch gut so]


[Bild: Strahlender Sonnenschein im Valle Exploradores. Nach einer langen Bootsfahrt durch die Fjorde des Laguna-San-Rafael-Nationalparks geht es nun auf einer ca. 80 km langen, staubigen Straße zurück nach Puerto Río Tranquilo]


[Bild: Während wir durch das Valle Exploradores entspannt zurück zum Lago General Carrera fahren, rauscht zu unserer Linken der von Gletschern gespeiste Río Exploradores vorbei]


[Bild: Man kann das traumhaft schöne Valle Exploradores durchaus auch mit dem eigenen 4WD-Auto bzw. Mountainbike erforschen. Noch gibt es hier links und rechts der Straße genug Möglichkeiten, um dem inneren Entdeckerdrang zu frönen]


[Bild: In Summe war der heutige Ausflug durch das Valle Exploradores mit anschließender Bootsfahrt zur Laguna San Rafael (neben der Besteigung der Caldera des Volcán Chaitén im Nationalpark Pumalín) mein bisheriges Highlight der Reise. Die Tour war nicht günstig (ca. 200 Euro), lohnt sich aber (bei schönem Wetter) in jedem Fall]


Tag 9

Von Puerto Río Tranquilo nach Cochrane -

Parque Nacional Patagonia (Reserva Nacional Tamango)


So langsam wird mir meine wettertechnische Glückssträhne unheimlich! Erneut empfängt mich strahlender Sonnenschein, als ich am Morgen vor die Tür meiner Unterkunft in Puerto Río Tranquilo trete. Keine Wolke ist am Himmel und das in Patagonien! Ziel des heutigen Tages ist die kleine Ortschaft Cochrane, das letzte große Etappenziel vor dem „Ende der Welt“ - Villa O'Higgins. Da der erste (und einzige) Bus heute (angeblich) erst um 13 Uhr kommt, beschließe ich zum ersten (und auch einzigen) Mal während dieser Reise zu trampen. Ich würde es nämlich gerne noch zu einer Tageszeit nach Cochrane schaffen, so dass zumindest noch eine kleine Wanderung in der zum Nationalpark Patagonia gehörenden Reserva Nacional Tamango möglich ist. Zwar dauert es letztlich eine Zeit, bis schließlich ein Auto für mich anhält, doch der Fahrer entpuppt sich dafür als absoluter Glücksfall für mich. Er kommt nicht nur aus Cochrane, sondern fährt auch bis dorthin. Wir verstehen uns gut und als ich ihm während einer kleinen Pause in Puerto Bertrand schließlich ein Sandwich und einen Kaffee spendiere, ist das Eis endgültig gebrochen. Mir „zu Liebe“ macht er extra Halt, damit wir zu der berühmten Confluencia (Zusammenfluss) von Río Baker und Río Neff wandern können. An einem Tag wie heute findet man hier das Postkarten-Bilderbuch-Patagonien vor, das man sich immer erträumt hat. Als wir schließlich nach 3 entspannten Stunden in Cochrane ankommen und die Unterkunft geklärt ist, mache ich mich sogleich zu Fuß auf in Richtung der nahen Reserva Nacional Tamango. Da ich 2 Tage später in Villa O'Higgins sein muss, weil nur an dem entsprechenden Tag ein Platz im (einzigen) Boot über den Lago O'Higgins frei war, habe ich leider nur den heutigen (späten) Nachmittag Zeit, um einen kleinen Eindruck der südwestlichen Randgebiete des Parque Nacional Patagonia zu bekommen. Das ist alles zwar etwas stressig, aber dafür hält das Wetter auch während der Wanderung in Richtung Laguna El Cangrejo (die ich aus Zeitgründen nicht ganz erreiche), so dass ich trotz der sportlichen Zeitplanung einen guten Eindruck der landschaftlich grandiosen Umgebung von Cochrane bekomme. Bei einer Reise wie dieser muss man, wenn man nur einen begrenzten Zeitraum zur Verfügung hat, nun einmal Kompromisse eingehen.


[Bild: Ein weiterer Traumtag in Patagonien! Bei der Fahrt von Puerto Río Tranquilo nach Cochrane fällt der Blick über den wunderbaren Lago Bertrand in Richtung einer zu den Ausläufern des Campo del Hielo Norte gehörenden Bergkette]


[Bild: Blick zu den östlichen Bergkämmen des Campo del Hielo Norte, welches sich über ingesamt 120 km (!) von Norden nach Süden erstreckt]


[Bild: Auf dem Weg zum Zusammenfluss („Confluencia“) von Río Baker und Río Neff, welcher sich etwa 12 km südlich von Puerto Bertrand befindet. Der Wanderweg ist etwa 800 m lang und hat Spaziergang-Charakter]


[Bild: La Confluencia ist ein ergreifender, wirklich spektakulärer Ort und für jeden, der es sich logistisch einrichten kann, ein absolutes Pflichtprogramm auf der Durchreise]


[Bild: Der Río Baker gehört wohl zu den wildesten Flüssen Chiles und ist ein Traumziel für ambitionierte Raftingtouren]


[Bild: Wer den Río Baker mit dem Kajak befährt, sollte kein Anfänger (oder auch keine Anfängerin) sein!

Passagen wie La Confluencia gehören da eher noch zu den entspannteren Abschnitten]


[Bild: Der Zusammenfluss von Río Baker und Río Neff („La Confluencia“) ist ein landschaftlicher Hochgenuss und in meinen Augen pure Ästhetik - So habe ich mir Patagonien (abseits von Gletschern und Granittürmen) immer vorgestellt...]


[Bild: Im Vergleich zu den gemäßigten Regenwäldern Nordpatagoniens dominieren in der Nähe von Cochrane zunehmend weite, hügelige Steppen die Landschaft, während der nun vom milchigweißen Gletscherwasser des Río Neff gespeiste Río Baker sich seinen Weg durch zerklüftete Schluchten bahnt, bis er schließlich bei Caleta Tortel in den Pazifik mündet]


[Bild: Auf Weg von Cochrane in Richtung Reserva Nacional Tamango - Das Schutzgebiet ist glücklicherweise fußläufig vom Ort aus erreichbar]


[Bild: Die Reserva Nacional Tamango wird von zahlreichen einfachen Wanderwegen durchzogen - Bei einer entsprechenden Wanderung in Richtung Laguna El Cangrejo oder weiter zur Laguna Elefantita gewinnt man mit jedem gewonnenen Höhenmeter einen immer besseren Eindruck von der dicht bewaldeten, ungemein eindrucksvollen Umgebung]


[Bild: Impressionen der Reserva Nacional Tamango in der Nähe von Cochrane - Einen Huemul (Südandenhirsch) habe ich leider nicht gesehen, dafür habe ich diesen südwestlichen Zipfel des Parque Nacional Patagonia ein paar Stunden bei herrlichstem Wetter erleben dürfen. Damit ich es noch rechtzeitig vor Einbruch der Dunkelheit wieder zurück nach Cochrane schaffe, drehe ich noch vor Erreichen der Laguna El Cangrejo um, schließlich sollte bei einer solchen Reise stets die Devise gelten: Safety first]


[Bild: Ausblick über den südwestlichen Teil der zum Parque Nacional Patagonia gehörenden Reserva Nacional Tamango - Das riesige Schutzgebiet beheimatet u. a. Guanakos, Huemuls (Andenhirsche), Nandus, Pumas und Flamingos]


[Bild: Ausblick beim Abstieg über den Wanderweg Sendero Las Aguilas zum Westende des Lago Cochrane]


[Bild: Bei meiner Wanderung in der Reserva Nacional Tamango begegne ich (trotz des schönen spätnachmittaglichen Wetters und der Nähe zu Cochrane) nur insgesamt 4 Personen - Mit den Massenaufläufen à la El Chaltén oder Torres del Paine ist diese Region in jedem Fall in keinster Weise zu vergleichen. Wer auf entspanntes, ruhiges Wandern in einer trotz allem wilden, sehr weitläufigen (und in Summe auch ernsten) patagonischen Steppenlandschaft steht, wird hier fündig]


[Bild: Abendstimmung bei der Wanderung von der Reserva Nacional Tamango zurück nach Cochrane]


[Bild: Blick zum Río Cochrane, welcher im Osten in den immerhin 320 km² großen Lago Cochrane (in Argentinien auch Lago Pueyrredón genannt) mündet]


Tag 10

Von Cochrane nach Villa O'Higgins


Auf geht's ans Ende der Welt!


Von Anfang an meiner Reise waren alle Planungen und Anstrengungen darauf ausgerichtet, nach ca. 10-12 Tagen in dem kleinen Ort Villa O'Higgins anzukommen. Denn im Gegensatz zu den meisten Reisenden habe ich es mir trotz aller Unabwägbarkeiten und Risiken fest vorgenommen, nicht nur die gesamte Carretera Austral zu bereisen, sondern tatsächlich auch den (in Bezug auf die reisetechnischen Gesamtanforderungen äußerst anspruchsvollen) Übergang über den Lago O' Higgins und den Lago del Desierto nach El Chaltén in Argentinien zu schaffen. Diese Idee hat sich in meinem Kopf festgesetzt, seit ich mich ein paar Wochen zuvor endgültig für eine Reise durch Patagonien entschieden hatte. Ich muss es einfach versuchen. Das bin ich mir selbst und meiner Idee schuldig. Seit Jahren habe ich ein solches Abenteuer nicht mehr unternommen, zu oft habe ich in trüben „Corona-Alltagsmomenten“ beim Blick aus dem Fenster von solchen Momenten geträumt. Ich bin davon überzeugt: Wenn ich es jetzt nicht mit aller Entschlossenheit durchziehe, werde ich es am Ende bitter bereuen.


Doch zunächst gilt es erst einmal, den Endpunkt der Carretera Austral überhaupt zu erreichen. Die Busse von Cochrane fahren nämlich nicht täglich und sind zudem so klein (und zugleich so begehrt), dass oftmals nicht jeder Einheimische bzw. Tourist mitfahren kann. Da ich für den morgigen Tag mein Bootsticket fix reserviert habe und ich nur diese eine Gelegenheit haben werde (an keinem anderen Tag in nächster Zeit gab es noch einen freien Platz), kann ich auch nicht stattdessen einfach nach Caleta Tortel fahren (was ich ansonsten wahnsinnig gerne getan hätte...) und ein paar Tage später nach O'Higgins reisen. Ich habe nur diese eine Option, die an einem sehr dünnen, seidenen Faden hängt. Nachdem ich durch geschicktes Verhandeln mit dem Busfahrer und dezente Penetranz schließlich einen der letzten freien Plätze in dem Mini-Bus ergattert habe, machen wir uns sogleich auf den Weg. Es folgt eine stundenlange Fahrt durch totales Niemandsland. Südlich von Cochrane gibt es abgesehen von Caleta Torel und Villa O'Higgins (in Chile) praktisch keine menschlichen Siedlungen mehr. Das hier ist der sprichwörtliche wilde Süden, gewissermaßen eine echte „Last Frontier“. Hier herrscht absolute Grenzlandatmosphäre vor. Das Wetter ist deutlich kühler und rauer, als noch in Zentral- bzw. Nordpatagonien. Kein Vergleich zu den herrlichen Stränden von Chaitén und Puerto Río Tranquilo! Man befindet sich hier zwischen den beiden größten Eisflächen der Südhalbkugel außerhalb der Antarktis, was man auch deutlich spürt. Menschliche Erschließungen beschränken sich auf ein Minimum. Die Straßen sind eng und staubig und führen teilweise oberhalb schwindelerregender Schluchten entlang, in die teilweise wohl noch nie ein Mensch einen Fuß gesetzt hat. Links und rechts ragen namenlose, von dichtestem Urwald überwucherte Berge in den Himmel, während ein grauer, von wilden Pazifikwinden und Regenwolken geschwängerter Himmel für „Stimmung“ sorgt. Nach etwas mehr als der Hälfte der Strecke folgt schließlich die Fährpassage von (Caleta) Puerto Yungay über den Fjordo Mitchell zum Río Bravo und kurze Zeit später passieren wir das (bewusst) große Eingangsschild von Villa O'Higgins. Wir haben es geschafft - fast! Denn das eigentliche Meisterstück folgt erst morgen...


[Bild: Der Hafen von (Caleta) Puerto Yungay befindet sich zwar im totalen Niemandsland, ist aber über ein Labyrinth aus Fjorden direkt mit dem Meer verbunden. Es existieren sogar (wenige) Fährverbindungen nach Puerto Natales! Abgelegenheit ist letztlich immer relativ]


[Bild: Die Fähre ab Puerto Yungay ist die einzige Möglichkeit, um von Norden nach Villa O'Higgins zu gelangen]


[Bild: „Willkommen in Villa O'Higgins - Ende der Carretera Austral“ - Für mich persönlich ein besonderer Moment, den ich niemals vergessen werde, unabhängig vom Ausgang der kommenden Tage]


Tag 11 und 12

Von Villa O'Higgins nach El Chaltén (Argentinien)

(Lago O'Higgins + Lago del Desierto)


Seit der Buchung der Flugtickets und der Fixierung dieser großen Reise kreisen meine Gedanken um den heutigen Tag. Ich bin unruhig, geradezu nervös, als ich am Morgen nach dem Check Out vor die Tür meiner Unterkunft in Villa O'Higgins trete. Lange Zeit stellte der Anbieter Robinson Crusoe ein für Reisende äußerst attraktives (und günstiges) Gesamtpaket zusammen, das nicht nur die Fahrt über den riesigen Lago O'Higgins inkludierte, sondern auch den Transport nach Argentinien und das Boot (über den Lago del Desierto). Man konnte also im Grunde ein Rundum-sorglos-Paket kaufen, um nach El Chaltén zu gelangen. Doch diese Zeiten sind (Stand: Februar 2023) vorerst vorbei. „Due to force majeur, all our services are suspended. We are not receiving any bookings“ - so heißt es auf der Website von Robinson Crusoe. „Höhere Gewalt“, na super! Zwar ist mir das nicht erst am heutigen Tag bewusst und ich habe mein Bootsticket rechtzeitig (ein paar Tage vorher...) bei dem Anbieter „Ruedas de la Patagonia“ gebucht, allerdings hängt damit auch mein (sprichwörtlich) gesamtes Glück an diesem einen Unternehmen. Denn niemand sonst bietet während meinem Aufenthalt in O'Higgins entsprechende Bootsfahrten an. Wenn also etwas schief geht, ist meine gesamte Reiseplanung „für die Tonne“. Ich müsste umständlich bis weit in den Norden zurückreisen, um über Chile Chico nach Argentinien zu gelangen. Das hätte einen Zeitverlust von vielen Tagen zur Folge und ich würde es (u. a.) eventuell nicht mehr in den Nationalpark Torres del Paine schaffen sowie El Chaltén und Umgebung aufgrund von Zeitmangel nur in sehr ausgedünnter Form erleben können. „Jammern auf hohem Niveau“ und das allgemeine Risiko des Reisens könnte man sagen. Das fundamentale Scheitern der gesammten Reiseplanung dürfte aber wohl letztlich niemandem wirklich gefallen. Insofern bin ich froh, als mir von Seiten Ruedas de la Patagonia bestätigt wird, dass die Bootsfahrt auch tatsächlich stattfinden wird. Das ist nämlich (trotz etwaig gebuchter Tickets) nicht unbedingt sicher, denn der 1.013 km² große Lago O'Higgins, mit unglaublichen 836 Metern zudem der tiefste See von ganz Südamerika (!), ist ein wahrlich schroffer Geselle. Er wird in der Regel von sehr starken, häufig stürmischen Westwinden geprägt, die eine Überfahrt leicht unmöglich gestalten können. Der Lago O'Higgins wird nämlich vom nahen Campo del Hielo Sur gespeist und verwehrt Reisenden häufig die Überquerung. Insofern bin ich schon einmal sehr froh, dass das Boot aller Voraussicht nach fahren wird. Das wird allerdings (dann doch erst...) am frühen Nachmittag der Fall sein, weswegen ich mir zunächst die Zeit am Vormittag mit kleineren Wanderungen oberhalb von Villa O'Higgins vertreibe. Doch schließlich ist es soweit...


Bei herrlichem Sonnenschein geht es zunächst mit dem Boot über den milchig-blauen und eisig-kalten Lago O'Higgins in Richtung Candelario Mancilla, am Südende des Sees. Es ist windig, aber insgesamt verläuft die Überfahrt ohne Probleme. Ich bewundere die vorbeirauschenden, schroffen Felsflanken und bin vorsichtig optimistisch. In Candelario Mancilla angekommen, mache ich mich (nach erfolgreich absolvierter Grenzkontrolle) sogleich auf den Weg in Richtung Lago del Desierto. Ich habe kein Zelt dabei, aber bin gewillt, mich dieses eine Mal auch ohne Unterkunft durchzuschlagen. In der Regel haben Reisende, die von O'Higgins nach El Chaltén (und umgekehrt) reisen, nämlich ein Zelt dabei, gibt es doch sowohl in Candelario Mancilla, als auch am Nordufer des Lago del Desierto jeweils die Möglichkeit zu campen. Ohne entsprechende Campingausrüstung ausgestattet, bedeutet das Ganze für mich jedoch die ungezügelte Auseinandersetzung mit den Elementen der Natur. Laut Wettervorhersage soll es den ganzen Abend und die ganze Nacht trocken bleiben...na mal sehen! Die Wanderung von Candelario Mancilla in Richtung Lago del Desierto ist in jedem Fall technisch vollkommen unschwierig. Sie ist zwar stolze 20 km lang, aber der Weg ist in der Regel so breit und flach, dass man den Gedanken freien Lauf lassen kann. Das ist gut, denn die Sorge um die kommende Nacht treibt mich weiterhin um! Kurz vor Sonnenuntergang reißen im Süden auf einmal unvermittelt die Wolken auf und da ist er: der legendäre (Cerro) Fitz Roy! In etwa 30 Kilometern Entfernung kündet er von fernen Landen und großen Taten - und ich bin erneut beflügelt! In weitem Umkreis bin ich der einzige Mensch weit und breit, ich bin allein inmitten der patagonischen Anden und vollkommen sprachlos. All die Strapazen und Sorgen des heutigen Tages sind mit einem Mal und für einen kurzen Augenblick vergessen. Und plötzlich bin ich an den Ufern des Lago del Desierto. Die erste Etappe ist geschafft. Über die nun folgende Nacht (des Schreckens) ist an dieser Stelle indes kein Wort zu verlieren. Entscheidend ist, dass es am folgenden Morgen mit neuer Energie und Motivation weiter zum Südende des Lago del Desierto geht (denn überraschenderweise fahren ausgerechnet am heutigen Tag die Boote nicht). 15 stürmische Kilometer weiter erreiche ich nach etwa 3 Stunden einfacher Wanderung das Südende des Sees. Es regnet, windet und ich stinke wie ein totes Tier. Doch nun wird nichts mehr schief gehen. Als ich schließlich ein paar Stunden später im Bus nach El Chaltén sitze, bin ich so kaputt und erleichtert, wie wohl selten zuvor in meinem Leben. Doch all das ist Makulatur. Ich habe den Übergang von Villa O'Higgins nach El Chaltén geschafft - Nach der „Pflicht“ folgt nun die Kür.


[Bild: Villa O'Higgins ist der Endpunkt der Carretera Austral und der Inbegriff eines abgelegenen, gottverlassenen Dorfes. Sämtliche Güter des täglichen Bedarfs müssen mühsam per Fähre (und Bus) via Puerto Yungay her transportiert werden. Es gibt zwar einen kleinen Mini-Flughafen, aber der verringert die Entlegenheit des Ortes nur bedingt. Die Einheimischen gehen ihren Geschäften nach, während unzählige streunende Hunde die Straßen „unsicher“ machen (atmosphärisch erinnert das stark an die bellenden Hunde im Pink-Floyd-Lied „Dogs“ aus dem Album „Animals“) und ein ozeanisch-kaltes Klima dafür sorgt, dass man sich bevorzugt in einem warmen Café oder der Unterkunft aufhält. Erwischt man dann doch mal einen der (eher seltenen) schönen, womöglich gar sonnigen Tage, bietet die Umgebung unzählige spannende Tourenoptionen (Parque Nacional Bernardo O'Higgins, Campo del Hielo Sur) - Bei schlechtem Wetter (und das hält hier mitunter durchaus wochenlang an) gibt es allerdings definitiv bessere Orte, um zu verweilen. Die meisten Reisenden werden hier wohl nur 1-2 Nächte verbringen. In jedem Fall kann jeder, der es bis hierher geschafft hat, zu Recht stolz auf sich sein. Villa O'Higgins lebt von seinem geradezu mythischen Status als „Ort am Ende der Welt“ - Alleine deswegen lohnt es schon, die beschwerliche Anreise auf sich zu nehmen]


[Bild: Ausblick über einen der zahlreichen Seitenarme des Lago O'Higgins. Links und rechts des Sees ragen wilde, namenlose Berge in die Höhe, während das nahe Campo del Hielo Sur beständig Wolken herüberschiebt]


[Bild: Ausblick über das südliche Dorfende von Villa O'Higgins, welches vom Flussbett des Río Mosco geprägt wird]


[Bild: Unterwegs auf dem Lago O'Higgins - Die Bootsüberfahrt nach Candelario Mancilla ist geprägt von einem relativ ruppigen Wellengang und (natürlich) starkem Wind, verläuft aber ohne größere Probleme. Immer wieder ist es sogar strahlend sonnig, was in dieser Region dann doch eher die Ausnahme ist]


[Bild: Ausblick von Candelario Mancilla über den Lago O'Higgins - Der vermeintliche Gebirgskamm im Hintergrund ist in Wahrheit nur eine Halbinsel, welche links und rechts von Nebenarmen des Sees umschlossen wird]


[Bild: Blick von Candelario Mancilla über den zentralen Teil des Lago O'Higgins nach Argentinien. Die Grenze verläuft mitten durch den See und trennt ihn in zwei etwa gleich große Hälften. An manchen Stellen ist der von Gletschern gespeiste See unglaubliche 800 Meter tief. Somit liegt der tiefste Punkt des Lago O’Higgins fast 600 Meter unter (!) dem Meeresspiegel]


[Bild: Auf geht's von Candelario Mancilla in Richtung Lago del Desierto - Ein 20 Kilometer langer, technisch unschwieriger Marsch auf breiten, zum Teil Schotterpisten-artig ausgebauten Wegen durch die Berge steht mir nun bevor]


[Bild: Der farbenprächtige Magellanspecht („Campephilus magellanicus“) ist die größte Spechtart Südamerikas und bewohnt die feucht-gemäßigten südlichen Nothofagus-Wälder Patagoniens, wobei er zum Teil auch in Sekundärwäldern und offenen Waldlandschaften vorkommt. Die Reviergrößen des Vogels betragen zum Teil stolze 100 ha (= 1 Mio. m² ) und er verteidigt sie auch entschlossen gegenüber Rivalen. Da die meisten der feucht-gemäßigten Waldgebiete des südlichen Chiles und der angrenzenden Gebiete in Argentinien (inkl. Feuerland) vergleichsweise abgelegen sind, konnte der Magellanspecht bis heute vielfach ungestört von menschlichen Einflüssen leben. Er gilt daher (trotz teilweise inselartiger Ausdünnung in Nordpatagonien) aktuell als nicht gefährdet. Trotzdem gilt eine solch prägnante Sichtung als Glücksfall]


[Bild: Unterwegs zwischen Lago O'Higgins und Lago del Desierto - Gäbe es den Verbindungsweg nicht, das hier wäre die totale Wildnis]


[Bild: Cerro Fitz Roy (3405 m.) von Norden. Für einen kurzen Augenblick geben die Wolken den Blick auf den etwa 30 km entfernten Granitriesen frei - Ein magischer Moment, kurz bevor die Sonne untergeht]


[Bild: Auf Wiedersehen Chile! Wir sehen uns in einigen Tagen wieder...]


[Bild: Willkommen in Argentinien! - Der wohl ungewöhnlichste, abgelegenste Grenzübergang meines bisherigen Lebens. Touristiker / Marketer und Feinschmecker des Reisens werden den nur allzu bekannten Sticker links oben erkennen...]


[Bild: Südende des Lago del Desierto - Nach einer furchtbaren Nacht und einer weiteren sturmzerzausten, aber einfachen 15km-Wanderung durch die Berge erreiche ich schließlich den de-facto-Endpunkt des reisetechnisch anspruchsvollen Übergangs von Villa O'Higgins nach El Chaltén, denn von hier aus ist es nur mehr eine einstündige Busfahrt bis zum Zielort. Alles ist gut gegangen, (fast) alles hat letztlich geklappt. Ich bin stolz und erleichtert und zugleich sicher, dass ich hier so schnell nicht noch einmal hinkommen werde]


Tag 13 und 14

Laguna Torre (Versuch Nr. 1)

(Parque Nacional Los Glaciares) -

Fahrt nach El Calafate


El Chaltén - das Kletter- und Bergsteigermekka Südamerikas! Mitte der 80er von Argentinien eilig aus dem Boden gestampft, um den nationalen Gebietsanspruch auf die Region gegenüber Chile zu untermauern, erfreut sich das Dorf mit dem geradezu legendären Ruf heutzutage großer Beliebtheit bei Touristen. In Heerscharen pilgern sie zu dem farbenfrohen Ort mit Hippie-Touch, um zu sehen, wovon alle reden: Cerro Torre und Fitz Roy! Diese wohl spektakulärsten Berge im Südteil Südamerikas ragen direkt über dem Ort in luftige Höhen und stellen den Heiligen Gral für ambitionierte Profialpinisten aus aller Welt dar. Zur größten Herausforderung wird bei diesen Bergen aber nicht die reine technische Schwierigkeit, sondern das Wetter. Im Westen befindet sich nämlich unmittelbar angrenzend die riesige Eisfläche des Campo del Hielo Sur. Stürmische Westwinde peitschen ungebremst über die 13.000 km² (!) Eis und werfen alle Höllen der patagonischen Natur ungefiltert und ungebremst an die glatten Granitwände oberhalb von El Chaltén. Das Resultat sind regelmäßig widrige, geradezu lebensfeindliche und extrem gefährliche Bedingungen. Oftmals hüllen sich Cerro Torre und Fitz Roy wochenlang in stürmische Wolken, nur um am Ende in Eisglasur gehüllt wieder aufzuwachen. Wunderschön und faszinierend - und nur allzu leicht unerreichbar.


Doch man kann sich diesen faszinierenden Granitgipfeln im Nordteil des fantastischen Parque Nacional Los Glaciares auch auf einfachen Wanderwegen nähern. Laguna Torre (für den Cerro Torre) und Laguna de los Tres (für den Fitz Roy) sind hier die begehrtesten Zielorte der Wahl. Und auch ich will mich diesen beiden Ungetümen von Fels im Rahmen „normaler“ Wanderungen nähern. So ist eigentlich der Plan. Doch als ich schließlich an der Laguna Torre stehe, bläst mir (oh Wunder) ein eisiger Wind ins Gesicht und der Cerro Torre hüllt sich in dichte Wolken. Ich harre ein bisschen aus, merke jedoch schnell, dass sich der Berg heute definitiv nicht zeigen wird. Und die Wetterprognose für die kommenden Tage ist leider ebenfalls katastrophal. Als ich am Abend wieder in meiner Unterkunft in El Chaltén bin und die Gischt gegen das Fenster peitscht, beschließe ich spontan nach El Calafate zu fahren (oder besser gesagt zu „flüchten“). Ich spekuliere darauf, dass die Besichtigung des Perito-Moreno-Gletschers auch bei mittelmäßigem Wetter möglich (und vor allem lohnenswert) ist und ich ein paar Tage später eventuell noch mal nach El Chaltén zurückkommen kann - bei dann hoffentlich besserem Wetter.


[Bild: Blick über das Tal des Río Fitz Roy zum markant freistehenden Cerro Solo (2121 m.) - Ein seltsamer Mix aus Sonne, kurzen Regenschauern, Wolken und Wind beherrscht die Szenerie]


[Bild: Aufgrund der Tatsache, dass der Cerro Solo (2121 m.) von dem langgezogenen Bergkamm, der von Cerro Domo Blanco und Cerro Piergiorgio über Cerro Torre, Adela-Massiv und Cerro Doblado nach Süden zieht, deutlich abgesetzt ist, hüllen die vom Campo del Hielo Sur herüberkommenden Wolken den Berg oftmals als einzigen in der Umgebung nicht ein - Der Name ist also Programm]


[Bild: Bei der oftmals von Eisbergen gefüllten Laguna Torre - Links im Hintergrund ein Teil des mächtigen Glaciar Grande, welcher von (Cerro) Adela, Cerro Doblado und Cerro Grande herabzieht, sich weiter unten mit dem Glaciar Torre vereint und schließlich den eisigen See speist. Mittig im Hintergrund würde man bei gutem Wetter den Cerro Torre erblicken]


[Bild: Leider zeigt sich am heutigen Tag nur ein kleiner Teil des gewaltigen Spaltenmonsters namens Glaciar Grande - Zudem weht ein eisiger Wind vom nahen Campo del Hielo Sur herunter, der den Aufenthalt an der Laguna Torre ziemlich unangenehm gestaltet! Ich muss wohl noch einmal wiederkommen...]


[Bild: Ausblick von der den See begrenzenden Moräne über die Laguna Torre in Richtung Cerro Solo (2121 m.) und zum ein paar Kilometer entfernten Glaciar Grande - Auch an einem wettertechnisch eher bescheidenen Tag wie heute lohnt sich der Besuch des riesigen Gletschersees in jedem Fall. Die Eissituation ändert sich zwar fast täglich, aber die Chance ist in jedem Fall hoch, dass man hier (ggf. zum ersten Mal in seinem Leben) Eisberge sieht. Wenn man indes an der Laguna ankommt und den Cerro Torre nicht sieht, ist das durchaus der Normalfall. Den Berg komplett frei zu sehen, ist reine Glückssache]


[Bild: Kurz vor El Chaltén hat der von Glaciar Grande, Glaciar Torre und letztlich Laguna Torre gespeiste Río Fitz Roy eine eindrucksvoll tiefe Schlucht gegraben]


[Bild: Ausblick über den westlichen Teil von El Chaltén - Wetterglück war mir heute leider nur bedingt vergönnt. Ich beschließe, für ein paar Tage nach El Calafate zu „flüchten“ und ggf. noch einmal (bei dann hoffentlich besserem Wetter) zurück zu kommen]


Tag 15 und 16

Glaciar Perito Moreno

(Parque Nacional Los Glaciares)


El Calafate ist der Inbegriff einer touristischen Stadt. Anfang des 20. Jahrhunderst zunächst noch als Versorgungspunkt für die Wolltransporte der umliegenden Estancias errichtet, begann der Aufstieg des Ortes mit der Einrichtung der Parkverwaltung des Parque Nacional Los Glaciares kurz nach dem 2. Weltkrieg. Schnell sprachen sich in Argentinien (und der Welt) die Wunder des etwa 80 km im Westen gelegenen Campo del Hielo Sur herum. Besonders der leicht zugängliche Glaciar Perito Moreno (vom deutschen „Entdecker“ Rudolph Hauthal zunächst Bismarck-Gletscher getauft) zog ab den 1980er Jahren die Touristen zunehmend in Scharen an. El Calafate prosperierte und entwickelte sich über die Jahre zu einer respektablen Kleinstadt mit heutzutage über 20.000 Einwohnern, Flughafen und einem nahezu unüberschaubaren Wildwuchs aus touristischen Dienstleistern. Das Angebot für Reisende und Touristen ist reichhaltig, aber letztlich kommen alle, um den vermeintlich spektakulärsten Gletscher Südamerikas zu sehen. Jeden Morgen karren unzählige Busse die Touristen von El Calafate zum Nationalparkeingang (um die Eintrittsgebühr zu bezahlen...) und weiter zum Beginn eines (schön angelegten) Netzes aus künstlichen Wander- bzw. Bohlenwegen direkt gegenüber vom Gletscher. Das ist alles klassischer Massentourismus, aber „mitnehmen“ tut den Perito Moreno letztlich dann doch jeder, auch der ach so individualistisch veranlagte Backpacker. Am Ende machen ja doch (fast) alle das Gleiche. Denn im Angesicht der bis zu 80 Meter hohen (!) Kalbungsfront des Gletschers sind plötzlich alle ganz still. Und das Gefühl, gemeinsam Ausschau zu halten nach einem der regelmäßigen Eisabbrüche der Gletscherzunge in den Brazo Rico, ist einfach etwas ganz besonderes. Auch wer mit touristischen Massenaufläufen nichts anfangen kann, sollte sich letztlich zumindest einen Tag Zeit für den Perito-Moreno-Gletscher nehmen. Vergleichbar einfach wird man einen so spektakulären Gletscher wohl nirgends zu Gesicht bekommen!


[Bild: Unterwegs auf der Ruta Provincial (RP) 15 in Richtung Glaciar Perito Moreno - Diese staubige, relativ einsame Alternative zur vielbefahrenen RP11 weiter nördlich lohnt sich sehr und bietet einem faszinierende Ausblicke über die weiten Steppen östlich des Parque Nacional Los Glaciares]


[Bild: Blick bei der Fahrt zum Perito-Moreno-Gletscher zum riesigen Lago Argentino, welcher mit stolzen 1.415 km² dreimal so groß wie der Bodensee und zudem der flächenmäßig größte See von ganz Argentinien ist]


[Bild: Die weiten Graslandschaften östlich von Brazo Rico, Brazo Sur und Lago Roca werden immer mal wieder überschwemmt, wenn der Perito-Moreno-Gletscher durch Vorstöße seiner Gletscherzunge den Wasserabfluss zum Lago Argentino „abschneidet“ - In trockenen Phasen wie diesen handelt es sich dagegen um erstklassiges Weideland]


[Bild: Im Gegensatz zum nur etwa 30 km entfernten Campo del Hielo Sur fällt in den weiten Steppen rund um El Calafate vergleichsweise wenig Niederschlag. Die von Westen vom Pazifik kommenden Regenwolken regnen sich in sehr verlässlicher Art und Weise über den Anden ab und nähren die dortigen Eismassen, so dass die östlich davon liegenden Regionen nicht mehr allzu viel Niederschlag abbekommen]


[Bild: Da ist er! Auf der Fahrt durch den Nationalpark Los Glaciares kommen wir dem gewaltigen Perito-Moreno-Gletscher immer näher, die Spannung steigt...]


[Bild: Wer den Glaciar Perito Moreno besichtigt, kann dies (klassischerweise) von den Aussichtsplattformen und Wegen aus tun, oder aber eine Bootsfahrt entweder im Brazo Rico (Süden) oder im Canal de los Témpanos (Norden) machen. Näher kommt man der Kalbungsfront aber in so einem Fall auch nur bedingt, denn die Boote müssen stets einen weiten Abstand zum Gletscher halten, damit sie im Falle eines Eisabbruchs nicht unmittelbar die Wucht (z. B. einer Flutwelle) abbekommen]


[Bild: Ausblick über die Zunge des Perito-Moreno-Gletschers, welche besonders stark zerklüftet ist und in meinen Augen den Titel „Spaltenmonster“ durchaus verdient hätte]


[Bild: Die Kalbungsfront des Perito-Moreno-Gletschers hat hier (nur im Bereich des Canal de los Témpanos) eine Länge von etwa 2,3 Kilometern. Unten erkennt man eine der Aussichtsplattformen, welche einen einmaligen Blick auf die bis zu 80 Meter hohe (!) Eiswand eröffnet. Insgesamt beträgt die Breite des Perito-Moreno-Gletschers etwa 5 Kilometer]


[Bild: Jeder Besuch des Glaciar Perito Moreno ist einmalig! Täglich kalben gewaltige Eismassen in den Gletscher, treiben anschließend (zum Teil) als Eisberge im Wasser, brechen schließlich auseinander oder ziehen weiter in Richtung Lago Argentino]


[Bild: Der Perito-Moreno-Gletscher in all seiner eisigen Pracht - Seine Länge beträgt etwa 30 km und die (naturgemäß Schwankungen unterworfene) Fläche wiederum ca. 250 km². Damit ist er etwa 3x so groß wie der Aletschgletscher, der größte Gletscher der gesamten Alpen]


[Bild: Posieren vor dem wunderbaren Glaciar Perito Moreno - Ein „Beweisfoto“, dass ich auch tatsächlich da war.

So touristisch das Ganze auch ist, aber ich werde den Anblick dieses eisigen Naturwunders niemals vergessen]


[Bild: Ungewohnt für den geneigten Alpenkenner ist auch der Anblick der unmittelbar gegenüber vom Perito-Moreno-Gletscher wachsenden Bäume. Diese (schon vom San-Rafael-Gletscher bekannte) Konstellation (Wald, der unmittelbar in der Nähe von Gletschern wächst) finde ich persönlich ungemein faszinierend]


[Bild: Zu den absoluten Highlights bei einem Besuch des Glaciar Perito Moreno gehört das „Geduldsspiel“, nach einem Eisabbruch der Kalbungsfront Ausschau zu halten. Oftmals kündigt sich das legendäre Schauspiel durch ein lautes Knacken an, manchmal kollabieren die in der Mitte der Kalbungsfront bis zu 80 m hohen (!) Eistürme aber auch gänzlich unvermittelt]


[Bild: Die künstlich angelegten Wander- bzw. Bohlenwege im Westen der Península de Magallanes ermöglichen es, den Perito-Moreno-Gletscher aus einer Vielzahl unterschiedlichster Perspektiven zu bewundern. Man kommt zwar (wohl aus Sicherheits- und Naturschutzgründen) nicht bis auf Wasserhöhe, das ist aber auch nicht notwendig. Wer den Gletscher wirklich von „ganz unten“ beobachten will, wird bei den Bootsfahrten sein Glück finden]


[Bild: Das Besondere am Perito-Moreno-Gletscher ist die Tatsache, dass er (trotz des fortschreitenden Klimawandels) keine eindeutige Flächentendenz erkennen lässt und gemeinhin als „stabil“ gilt. Eine schmale Spalte im Andenhauptkamm ermöglicht es den regenreichen Pazifikstürmen nämlich hier ihren Regen östlich der Berge abzusetzen, was in Kombination mit der speziellen Topographie (Geländerelief) zum Entstehen (und Wachsen) des Gletschers geführt hat. Täglich „schiebt“ sich der Perito-Moreno-Gletscher unglaubliche 2 Meter (!) nach Osten. Für einen Gletscher ist das eine enorm hohe Geschwindigkeit. Ein Gletscher, der also auch im Jahr 2023 durchaus noch in der Lage ist, zumindest zeitweilig zu wachsen - Wo sieht man so etwas heutzutage noch?]


[Bild: In den vergangenen Jahrzehnten erreichte die gewaltige Kalbungsfront des Perito-Moreno-Gletschers tatsächlich mehrere Male das östlich gegenüber liegende Ufer der Magellan-Halbinsel, wodurch linkerhand Brazo Sur und Brazo Rico vom Lago Argentino abgeschnitten wurden - Eine unglaubliche Vorstellung!]


[Bild: Der Glaciar Perito Moreno weist einen Höhenunterschied von fast 3000 Metern auf. Sein Nährgebiet liegt im Bereich des einsamen, inmitten der eisigen Weiten des Campo del Hielo Sur gelegenen Cerro Pietrobelli (2950 m.), während man sich im Westen der Península de Magallanes gegenüber seiner Kalbungsfront fast auf Meeresniveau (185 m.) befindet]


[Bild: Die im mittleren Bereich etwa 50-70, an manchen Stellen bis zu 80 Meter hohe Kalbungsfront des Glaciar Perito Moreno wird in Richtung der nördlich und südlich angrenzenden Berghänge immer flacher und zieht die Blicke so verlässlich an, wie das Licht die Motten - Permanent hört man es laut knacken und grummeln. Der Gletscher erscheint einem de-facto wie ein lebendiges Wesen]


[Bild: Eine Bootsfahrt über den Brazo Rico oder (wie hier) den Canal de los Témpanos, um die Zunge des Perito-Moreno-Gletschers aus allernächster Nähe und von ganz unten zu bewundern, lohnt durchaus. Man kommt so in den Genuss von Perspektiven, die man von den Aussichtsplattformen und -wegen nicht hat, wobei das Ganze auch ordentlich extra kostet. Mir persönlich haben die Ausblicke vom Westen der Península de Magallanes vollkommen gereicht]


[Bild: Der Glaciar Perito Moreno gehört wohl zu den meist besuchten (touristischen) Attraktionen von ganz Patagonien -

So gut wie kein Reiseführer oder Blog, keine Dokumentation oder Rundreise kommt ohne einen Besuch des wohl berühmtesten Gletschers von ganz Südamerika aus]


[Bild: Selfie Time im Angesicht des gewaltigen Glaciar Perito Moreno - Für mich steht der Gletscher exemplarisch für die Faszination Patagonien: Auf der einen Seite vermeintlich leicht zugänglich und nahbar, zugleich jedoch ungezähmt, absolut unerreichbar und sich jeder eindeutigen Beschreibung entziehend...Der Perito-Moreno-Gletscher raubt einem den Atem, nicht nur aufgrund seiner (un-)fassbaren Kälte]


[Bild: Abschied nehmen vom wunderbaren Glaciar Perito Moreno - Ich kann den Besuch dieses eisigen Wunders jedem nur wärmstens empfehlen. Leichter und komfortabler kann man sich der gigantischen Eismasse des Campo del Hielo Sur wohl nicht nähern]


Tag 17

Von El Calafate (zurück) nach El Chaltén -

Mirador de los Condores + Mirador de las Águilas


Nach der ausgiebigen Bewunderung des Glaciar Perito Moreno geht es heute wieder retour nach El Chaltén. Das Wetter scheint sich zu bessern und die Vorhersage für die kommenden Tage gibt vorsichtigen Anlass zur Hoffnung. Natürlich könnte ich auch einfach weiter gen Süden in Richtung Puerto Natales bzw. Torres del Paine reisen. Aber mein Gefühl sagt mir, dass ich mit El Chaltén noch nicht „fertig“ bin. Ich muss einfach noch einmal mal zurück. Ich kann nicht guten Gewissens weiterreisen, ohne Cerro Torre und Fitz Roy in all ihrer Pracht gesehen zu haben. Das war von Anfang an der Fixpunkt in meinen Reiseplanungen (zusammen mit dem Bereisen der gesamten Carretera Austral). Ich spüre, dass ich es mir selbst und meiner Idee schuldig bin, dafür nun auch entsprechend zu kämpfen. Und so mache ich mich am Vormittag mit dem Bus auf den Weg durch die argentinische Pampa zurück nach El Chaltén. Vor Ort angekommen, unternehme ich am Nachmittag noch eine kleine Wanderung zu den Miradores (= Aussichtspunkten) de los Condores und de las Águilas oberhalb von El Chaltén. Der Cerro Torre zeigt sich heute (mal wieder) nicht, dafür jedoch der wuchtige Fitz Roy. Der in der Sprache der Tehuelche-Indianer „(El) Chaltén“ („der Rauchende“) genannte Berg macht heute seinem Namen alle Ehre. Stürmische Winde wirbeln um die imposante Spitze und formen sich zu einer markanten Wolkenfahne. Selten habe ich so einen eindrucksvollen Koloss von Berg gesehen! Dass ich morgen die Wanderung zur berühmten Laguna de los Tres unternehmen werde, ist damit auch beschlossene Sache. Der Berg ruft...Und ich bin froh, dass ich tatsächlich noch einmal zurückgekommen bin. Ich habe ein gutes Gefühl was die kommenden Tage angeht. Da geht was!


[Bild: Ausblick bei der Wanderung von El Chaltén zum Mirador de los Condores in Richtung Cerro Solo (2121 m.) - Mal wieder zeigt sich der Berg (nomen est omen) deutlich abgesetzt von der dichten Wolkenfront rund um Cerro Torre und Cerro Adela. Auch am heutigen Tag „verstecken“ sich die Randberge des Campo del Hielo Sur im dichten Weiß]


[Bild: Herrlicher Ausblick vom Mirador de los Condores (100 Hm und 2 km einfacher Wanderweg) über die an der Mündung von Río Fitz Roy (links) und Río de las Vueltas (rechts) gelegene Stadt El Chaltén. Links im Hintergrund wirbeln die Wolken um das Fitz-Roy-Massiv]


[Bild: Beim Weiterweg zum Mirador de las Águilas schweift der Blick über die weiten Graslandschaften der Berge östlich von El Chaltén rund um den Cerro El Faldeo]


[Bild: Ausblick vom Mirador de las Águilas zum (Cerro) Fitz Roy (3405 m.) und zu seinen umliegenden Trabanten. Zwischen dem Ort El Chaltén und der von stürmischen Winden umwirbelten Spitze liegen stolze 3000 Meter Höhenunterschied]


[Bild: Aguja Poincenot (3002 m.) und Fitz Roy (3405 m.) von Südosten vom Mirador de las Águilas aus gesehen]


[Bild: Nördlich des alles beherrschenden Fitz Roy ragen (von links nach rechts) weitere stolze Granitberge in den Himmel:

Aguja Val de Biois (2653 m.) - Aguja Mermoz (2732 m.) und Aguja Guillaumet (2574 m.) dürften jeweils noch deutlich seltener bestiegen werden, als ihr König. Ihre aus dem Ventisquero Piedras Blancas emporstrebenden Ostwände zählen zum Wildesten, was man rund um El Chaltén finden kann]


[Bild: Schauen und genießen... - Ausblick vom Mirador de las Águilas über die schier endlosen, grasigen Steppen östlich von El Chaltén. Rechts im Hintergrund ist ein Teil des riesigen, vom Campo del Hielo Sur gespeisten Lago Viedma zu erkennen]


[Bild: Abendstimmung beim Abstieg vom Mirador de las Águilas zurück nach El Chaltén - Der Fitz Roy (3405 m.) zieht alle Blicke auf sich und macht seinem ursprünglichen, indigenen Namen („El Chaltén“ - „der Rauchende“) alle Ehre]


Tag 18

Laguna de los Tres

(Parque Nacional Los Glaciares)


Wer den wunderbaren (Cerro) Fitz Roy aus nächster Nähe bewundern will, sollte sich die Wanderung zur Laguna de los Tres vornehmen. 800 Höhenmeter und 3-4 Stunden Fußmarsch trennen einen ab Ortsmitte von diesem hochgelegenen, azurblauen Bergsee östlich unterhalb der wildgezackten Granitkrone des Fitz-Roy-Massivs. Die Wanderung selbst ist technisch relativ unschwierig. Gutes Schuhwerk, eine gewisse Grundkondition und einigermaßen akzeptable Wetterverhältnisse sind aber in jedem Fall erforderlich, sonst macht das Ganze absolut keinen Spaß. Unterwegs passiert man (je nach Route) traumhaft schöne Bergseen wie die Laguna Capri oder die Laguna Madre, Hochmoore und Flüsse. Und die Ausblicke in die umliegende Bergwelt werden mit jedem gewonnenen Höhenmeter sowieso ständig besser!


An der Laguna de los Tres angekommen, erwartet mich indes zunächst einmal eine große Enttäuschung. Zwar sind die meisten Trabanten des Fitz Roy sichtbar und es ist äußerst sonnig, der König selbst hüllt sich jedoch in ein dichtes Wolkenkleid. Viele Wanderer machen sich nach 15-30 Minuten an der (extrem windig-kalten!) Laguna wieder auf den Rückweg nach El Chaltén. Ich beschließe jedoch eine seit vielen Jahren erfolgreich praktizierte Taktik zu verfolgen: Geduldig-stures Ausharren. Denn während ich den Fitz Roy aufmerksam beobachte, stelle ich mit der Zeit fest, dass die Wolken peu à peu weniger werden. Nach ein paar Stunden ist es schließlich soweit, die Wolken geben erstmals den Hauptgipfel frei - ein wahrlich erhabener Moment. Spätestens ab diesem Moment ist der Aufenthalt an der Laguna de los Tres endgültig ein Fest für die Sinne! Die Umgebung der Laguna ist nämlich wirklich von enorm hoher landschaftlicher Ästhetizität. Zwar ziehen der imposante Fitz Roy und seine kaum weniger eindrucksvollen Nebengipfel Aguja Poincenot und Aguja Saint-Exupery fast alle Blicke auf sich, aber auch der Tiefblick in den wilden Kessel der Laguna Sucia ist von atemberaubender Schönheit. Nach einem langen, fast surreal anmutenden Nachmittag an der Laguna de los Tres mache ich mich schließlich beseelt auf den Rückweg nach El Chaltén. Während die Schatten im Tal des Rio de las Vueltas langsam länger werden, freue ich mich innerlich schon auf den kommenden Tag. Es wird erneut zur Laguna Torre gehen um diesmal dann (hoffentlich) endlich den Cerro Torre zu Gesicht zu bekommen. Aber ich habe ein gutes Gefühl. Die Götter scheinen mir nämlich wohlgesonnen.


[Bild: Beim Aufstieg zur Laguna de los Tres bleibe ich immer wieder unvermittelt stehen, um die eindrucksvollen Ausblicke wie hier zum Gletscherabbruch des Ventisquero Piedras Blancas zu bewundern - Was für ein Archetypus von urtümlicher Berglandschaft!]


[Bild: Blick über den oberen Teil des Aufstiegs zur Laguna de los Tres - Etwas rechts der Bildmitte kann man den in Zick-Zack-Manier angelegten Bergsteig über die Felsflanke erkennen. Die Laguna befindet sich oberhalb der entsprechenden Flanke und unterhalb bzw. unmittelbar gegenüber vom Gletscher. Die Felstürme des Fitz-Roy-Massivs hüllen sich indes noch in dichte Wolken]


[Bild: Ankunft an der Laguna de los Tres, etwa 800 Meter oberhalb von El Chaltén - Und genau zur richtigen Zeit beginnen glücklicherweise auch die Felstürme rund um den Fitz Roy aufzunebeln. Trotz des sonnigen Wetters ist es extrem kalt und ich muss mich sehr bald hinter einem großen, windgeschützten Felsblock verstecken]


[Bild: Nach einiger Zeit beginnen die Wolken schließlich auch das von hier so wunderbar pyramidale Felshorn des (Cerro) Fitz Roy (3405 m.) freizugeben - Ein unvergesslicher, erhabener Moment]


[Bild: Ausblick von der Laguna de los Tres zum Fitz Roy (3405 m.) - Unmittelbar links daneben das kaum minder eindrucksvolle Felshorn der Aguja Poincenot (3002 m.) und rechts (in der Sonne) der Glaciar de los Tres]


[Bild: Bei einem Spaziergang entlang der Ufer der Laguna de los Tres schweift der Blick fast automatisch zum noch vom Schlechtwetter der vergangenen Tage gekennzeichneten Fitz Roy (3405 m.) - Von hier besteht (theoretisch) die Möglichkeit, über den Glaciar de los Tres und entweder den Paso Inferior oder den Paso Superior den dahinterliegenden Ventisquero Piedras Blancas zu erreichen. In jedem Fall sind alle Zustiege zum Fitz Roy lang und kompliziert]


[Bild: Atemberaubender Tiefblick vom südlichen Randbereich der Laguna de los Tres in den wilden Felskessel der Laguna Sucia, die nur von Osten erreicht werden kann. Es gibt keinen direkten Verbindungsweg zwischen den beiden Bergseen]


[Bild: Die Aguja de las S (2335 m.), Aguja Saint-Exupery (2558 m.) und Aguja Rafael Juarez (2482 m.) ragen oberhalb des von mächtigen Spaltensystemen zerrissenen Glaciar Río Blanco stolz in den Himmel. „Aguja“ bedeutet „Nadel“ (im Französischen würde man von „Aiguille“ sprechen) - Ein durchaus passender Vorname für diese wilden Gesellen]


[Bild: Die Aguja Saint-Exupery (2558 m.) ist neben den alles dominierenden Spitzen von Fitz Roy und Aguja Poincenot wohl die eleganteste Felsgestalt des Fitz-Roy-Massivs. Der Berg trägt den Namen des berühmten französischen Schriftstellers Antoine de Saint-Exupéry nicht ohne Grund. Der Autor von so bekannten Weltbestsellern wie „Der kleine Prinz“ war einst Direktor der Fluggesellschaft Aeroposta Argentina und Pionier der Postflüge in Patagonien zwischen 1929 und 1931 - Wer hätte es gewusst? - Wer indes weniger an Klassikern der Weltliteratur und mehr am Klettern interessiert ist, sollte schon eher zu den Profis gehören. Unterhalb einer 5.9 (5c / VI, bei trockenen Verhältnissen wohlgemerkt!) geht hier nicht viel]


[Bild: Die Laguna Sucia wird vom spaltigen, aber im Zuge des Klimawandels stark zurückgegangenen Glaciar Río Blanco gespeist. Der nur von Osten zugängliche Felskessel wird gekrönt von (von links nach rechts): Techado Negro (2152 m.), Mojón Rojo (2163 m.), Aguja de las S (2335 m.), Aguja Saint-Exupery (2558 m.), Aguja Rafael Juarez (2482 m.) und dem alles dominierenden Felshorn der Aguja Poincenot (3002 m.) - Was für ein Panorama!]


[Bild: Aguja Saint-Exupery (2558 m.), Aguja Rafael Juarez (2482 m.) und Aguja Poincenot (3002 m.) von Osten von der Laguna de los Tres ausgesehen - Speziell die atemberaubend steilen Felswände der Poincenot stellen ein durchaus ebenbürtiges Pendant zum rechts angrenzenden (nicht sichtbaren) Fitz Roy dar]


[Bild: Innehalten und genießen oberhalb der Laguna Sucia im Parque Nacional Los Glaciares]


[Bild: Aguja de las S (2335 m.), Aguja Saint-Exupery (2558 m.) und Aguja Rafael Juarez (2482 m.) im Zoom von der Laguna de los Tres aus gesehen - Das Klettern an diesen abweisenden Granitnadeln gehört aufgrund der unberechenbaren Wetterverhältnisse zum Anspruchsvollsten, was man sich in Patagonien vornehmen kann]


[Bild: Der Ventisquero Piedras Blancas bricht zum tiefer gelegenen Glaciar Río Blanco in Form eines wuchtigen Hängegletschers ab, wobei immer wieder kleinere Lawinen zu Tal donnern und Eisstürze zu beobachten sind - Oberhalb bilden die von Wolken verhüllte Aguja Poincenot (3002 m.) und der einschüchternde (Cerro) Fitz Roy (3405 m.) die eisige Krone des nördlichen Parque Nacional Los Glaciares]


[Bild: Ein Besuch der wunderbaren Laguna de los Tres bei El Chaltén gehört (wenn Wetter und Physis mitspielen) zum Pflichtprogramm eines jeden Patagonien-Reisenden. Von keinem anderen Ort hat man einen vergleichbar faszinierenden Ausblick zum majestätischen Fitz Roy (3405 m.) - Die Kombination aus azurblauem Bergsee, Gletschern und abweisenden Granitnadeln ist pure Ästhetik und ein Fest für die Sinne]


[Bild: Bei der Laguna de los Tres im Parque Nacional Los Glaciares in Patagonien - Zusammen mit seinen wilden Trabanten beherrscht der wuchtige (Cerro) Fitz Roy die Szenerie, während das im Westen dahinter liegende Eismeer des Campo del Hielo Sur beständig Wolken um sein eisiges Haupt wirbeln lässt. „El Chaltén“ („der Rauchende“) wurde der Berg von den Tehuelche-Indianern einst getauft - Einen passenderen Namen hätte man wahrlich nicht wählen können]


[Bild: Fitz Roy (3405 m.) und Aguja Poincenot (3002 m.) mit ihren umliegenden Nebengipfeln sowie Glaciar und Laguna de los Tres von Osten - Hier ist das Patagonien, wie man es sich immer erträumt hat!]


[Bild: Das Fitz-Roy-Massiv in all seiner Pracht von Osten (von links nach rechts): Aguja de las S (2335 m.), Aguja Saint-Exupery (2558 m.), Aguja Rafael Juarez (2482 m.), Aguja Poincenot (3002 m.), Fitz Roy (3405 m.), Aguja Val de Biois (2653 m.), Aguja Mermoz (2732 m.) und Aguja Guillaumet (2574 m.) bilden zusammen die berühmte Fitz Traverse. Diese etwa 5 km und 4.000 Hm umfasste Klettertour (Schwierigkeit: 7a / VIII) wurde erstmals 2014 von einem gewissen Alex Honnold (sowie dem nicht weniger „verrückten“ Tommy Caldwell) erstbegangen]


[Bild: Die Schatten werden länger und die meisten der eisigen, zur Laguna de los Tres ausgerichteten Felswände von (Cerro) Fitz Roy und Aguja Poincenot haben schon lange keine Sonne mehr. Nach ein paar wunderbaren, wie im Flug vergangenen Stunden bei der Laguna geht es schließlich wieder zurück ins Tal nach El Chaltén]


[Bild: Ausblick beim Abstieg von der Laguna de los Tres zur langgezogenen Laguna Madre. Rechts in der Ferne ist der gewaltige Lago Viedma zu erkennen]


[Bild: Tiefblick beim Abstieg von der Laguna de los Tres zu der dicht bewaldeten und zum Teil von Mooren bzw. Feuchtgebieten geprägten Hochebene zwischen Fitz-Roy-Massiv und Polo (1188 m.) - In der Mitte bahnt sich der Río Blanco (linkerhand) seinen Weg ins Tal, bis er schließlich in den Río Eléctrico mündet, welcher wiederum im Río de las Vueltas aufgeht. Letztlich münden alle vom Fitz-Roy-Massiv gespeisten Flüsse in den Atlantik - Eine faszinierende Vorstellung]


[Bild: Die eisige Krone des nördlichen Parque Nacional Los Glaciares: Aguja Poincenot (3002 m.) und Fitz Roy (3405 m.) in all ihrer abweisenden Herrlichkeit. Man mag sich kaum vorstellen, wie unglaublich windig, kalt (!) und ungemütlich es jetzt auf den Gipfeln dieser mächtigen Granitgestalten ist]


[Bild: Unterwegs in der von Feuchtgebieten geprägten Hochebene nördlich der Laguna Capri im Nationalpark Los Glaciares]


[Bild: Abendstimmung im Tal des Río de las Vueltas. Ein außergewöhnlich schöner Tag neigt sich dem Ende entgegen]


Tag 19

Laguna Torre (Versuch Nr. 2)

(Parque Nacional Los Glaciares)


Wer der legendären Felsnadel namens Cerro Torre (3128 m.) so nah wie möglich kommen möchte und sich (wie ich) nicht zu den Profialpinisten dieser Welt zählen kann, für den ist bekanntermaßen die Laguna Torre das Ziel der Wahl (nicht zu verwechseln mit der südlich gelegenen Laguna Toro). Ein paar Tage zuvor hatte ich mich von El Chaltén ja bereits einmal auf den Weg zu diesem einfach erreichbaren Gletschersee östlich des Cerro Torre gemacht, dabei jedoch in die „dicke Suppe“ gestarrt. Ob man den wohl berühmtesten Berg Patagoniens zu Gesicht bekommt, ist nämlich reine Glückssache. Bei keinem anderen Gipfel in der Umgebung besteht aufgrund der besonderen topographischen Konstellation eine so geringe Chance, die Spitze komplett frei zu sehen. Beständig schaufeln die unmittelbar westlich dahinter liegenden 13.000 km² (!) Eis des Campo del Hielo Sur Wind, Wolken und Stürme herüber. Doch als ich mich früh am Morgen von meiner Unterkunft in El Chaltén auf den Weg mache, wird mir relativ schnell klar, dass ich heute Glück haben könnte. Der Fitz Roy ist komplett frei und zeigt mir stolz seine wuchtige Südostseite. Wahnsinn! Und so geht es auf dem ausgeschilderten, technisch vollkommen unschwierigen Wanderweg (10 km, ca. 250 Hm) beschwingt in Richtung Laguna Torre. Schon von weitem erblicke in der Ferne unvermittelt die filigrane, von einem Gipfeleispilz („Mushroom Ice“) gekrönte Spitze. Der Cerro Torre ist komplett frei, doch wer weiß wie lange noch? Denn schon beginnen über der südlich angrenzenden, stark vergletscherten Front aus Cerro Grande, Cerro Doblado und Cerro Adela die Wolken zu wirbeln. Ich verstärke meine Schritte und spule die 10 mir ja bereits bekannten Kilometer in kurzer Zeit ab. Und mit einem Mal stehe ich an der Laguna Torre. Vor mir ragt das Granitwunder namens Cerro Torre stolz in den Himmel. Ein eisiger Wind bläst mir von Westen kommend über den von Eisbergen geprägten Gletschersee entgegen...Ein unvergesslicher Moment! Doch passenderweise währt dieser Moment nur wenige Minuten, schon nach kurzer Zeit verdichten sich die Wolken und beginnen, den Cerro Torre und seine Trabanten (und tatsächlich nur diesen Bereich!) einzuhüllen. Ich bleibe noch einige Stunden an der Laguna Torre und wandere auch über die nördliche Moräne des Sees zum Mirador Maestri. An diesem wunderbaren Aussichtspunkt für (theoretisch) den Cerro Torre und den (bei mir de-facto) wunderbaren Glaciar Grande, welcher in die Laguna Torre kalbt, kann man es bei gutem Wetter (so wie heute) lange aushalten und die Berge des Parque Nacional Los Glaciares bewundern. Als ich am Abend schließlich wieder in El Chaltén bin und den Abend mit einem patagonischen Bier stilecht ausklingen lasse, fällt mir ein ungeheurer Stein vom Herzen. Ich wollte beide Berge, Cerro Torre und Fitz Roy, unbedingt einmal gesehen haben. Und das hat dann am Ende tatsächlich auch geklappt. Diesbezüglich kann nun nichts mehr „schiefgehen“.


[Bild: Morgenstund hat Gold im Mund: Beim frühmorgendlichen Spaziergang durch das noch verschlafene El Chaltén zum Beginn des Wanderwegs zur Laguna Torre zeigen sich Fitz Roy (3405 m.) und Aguja Poincenot (3002 m.) erstmals komplett frei von Wolken]


[Bild: Da ist er! Cerro Torre (3128 m.) im Zoom von Osten mit Torre Egger (2850 m.), Punta Herron (2750 m.) und Aguja Standhardt (2730 m.) rechts daneben - Wahnsinn!]


[Bild: Im Gegensatz zum wuchtigen Fitz-Roy-Massiv und der südlich (links) angrenzenden kilometerlangen Eiswand des Cerro Adela beherrscht die filigrane Felsnadel des Cerro Torre ein (geographisch gesehen) nur relativ kleines Gebiet. Aufgrund der einmaligen Form des Berges zieht der Cerro Torre jedoch alle Blicke auf sich. Absolut fesselnd sind seine fast schon unverschämt steilen Felswände, die letztlich in einem markanten Gipfeleispilz („Mushroom Ice“) kulminieren]


[Bild: Bei der Wanderung von El Chaltén zur Laguna Torre wird man die ganze Zeit vom Cerro Solo (2121 m.) begleitet]


[Bild: Blick bei der Wanderung zur Laguna Torre zu den mächtigen, jedoch praktisch unbekannten Bergen südlich des Cerro Torre - Oberhalb des stark zerklüfteten Glaciar Grande ragen (von links nach rechts) Cerro Grande (2751 m.), Cerro Doblado (2665 m.), Cerro Ñato (2797 m.), Adela Sur (2840 m.), Cerro Adela (2938 m.) und Adela Norte (2825 m.) in den patagonischen Himmel. Unmittelbar dahinter befindet sich das Campo del Hielo Sur - Eine irre Vorstellung...]


[Bild: Cerro Adela (2938 m.) und Cerro Torre (3128 m.) bilden zusammen eine fast unüberwindbare Barriere und schirmen das mächtige Campo del Hielo Sur vor den Blicken der Touristen ab. Aufgrund der unmittelbaren Nähe zur etwa 13.000 km² großen Eisfläche bekommen die beiden ungleichen Berge aber auch alle aus westlicher Richtung kommenden Wetterlaunen des Pazifik ungebremst und mit ganzer Härte ab]


[Bild: Cerro Torre (3128 m.) von Osten - Links (oberhalb des Glaciar Torre) die eisigen Ostabstürze des (Cerro) Adela Norte und rechts die berühmten Trabanten des Cerro Torre: Torre Egger (2850 m.), Punta Herron (2750 m.) und Aguja Standhardt (2730 m.), die allesamt zu den schwierigsten Kletterbergen der Welt gehören]


[Bild: Bei der (häufig) von Eisbergen geprägten Laguna Torre zeigt sich der Cerro Torre (3128 m.) von seiner Schokoladenseite - Allerdings beginnen schon nach kurzer Zeit dichte Wolken vom westlich dahinter liegenden Campo del Hielo Sur herüber zu „wabern“ und den Berg einzuhüllen. Der Cerro Torre und seine eleganten Nachbarn um Torre Egger und Co. sind nämlich der Inbegriff eines Wolkenfängers - Wer den Berg so klar und frei zu Gesicht bekommt wie heute, darf sich mehr als glücklich schätzen]


[Bild: Cerro Torre, Torre Egger, Punta Herron und Aguja Standhardt von der Laguna Torre aus gesehen - An diesem Wunderwerk aus Granit, dieser so atemberaubend steilen Felsnadel haben sich seit der (offiziellen) Erstbesteigung durch eine italienische Seilschaft rund um Casimiro Ferrari im Jahr 1974 zahlreiche Heldengeschichten, aber auch (tödliche) Dramen abgespielt. Der Cerro Torre ist (wie der Fitz Roy) berühmt für seine brutalen, absolut gnadenlosen Wetterbedingungen. Aufgrund der unmittelbaren Nähe zum Campo del Hielo Sur, welches alle wilden Westwinde und Stürme ungebremst gegen die Wände des Berges wirft, ist der Cerro Torre maximal exponiert und bei Schlechtwetter (was hier sehr häufig vorkommt) allen Höllen der Erde ausgesetzt. Zahlreiche berühmte Kletterer und Alpinisten, darunter Cesare Maestri (dessen vermeintliche Erstbesteigungen in den Jahren 1959 und 1970 angezweifelt werden), David Lama (erste komplett freie Begehung entlang der sogenannten Kompressorroute von Maestri zusammen mit Peter Ortner, Schwierigkeit IX+ / X-) und Marc-Andre Leclerc (erste komplette Durchsteigung der Nordwand zusammen mit Colin Haley) haben ihre Spuren am Cerro Torre hinterlassen. Außergewöhnlich ist auch die erste Solo-Besteigung des Berges durch den Schweizer Marco Pedrini im Jahr 1985 in nur zwölf Stunden über die höllisch ausgesetzte Kompressorroute. Der Cerro Torre ist ein Berg für Profis, für Weltklasse-Alpinisten. Für „Normalsterbliche“ wie mich bleibt das stille Bewundern aus der Distanz]


[Bild: Ausblick von der Moräne der Laguna Torre nach Osten über das Tal des Río Fitz Roy - Kaum zu glauben, dass das Panorama auf der anderen Seite (im Westen) von Eisbergen, Gletschern und wilden Felswänden beherrscht wird]


[Bild: Das Tal des Río Fitz Roy östlich der Laguna Torre zählt aufgrund seiner landschaftlichen Schönheit und leichten Erreichbarkeit (ab El Chaltén) zu den meistbesuchten Wanderzielen in der Umgebung. Sogar zelten ist im Bereich des D'Agostini Campingplatzes möglich]


[Bild: Ausblick vom Mirador Maestri (am nordwestlichen Ende der Laguna Torre) zum Gletscherbruch des Glaciar Grande und zur in den See mündenden Gletscherzunge - Ungemein beeindruckend ist die große Anzahl von Spalten und wild zerklüfteten Bruchzonen. Oberhalb der Bruchzone sind (teilweise im Nebel) von links nach rechts Cerro Grande (2751 m.), Cerro Doblado (2665 m.), Cerro Ñato (2797 m.) und Adela Sur (2840 m.) erkennbar]


[Bild: Der von Cerro Grande, Cerro Doblado, Cerro Ñato und Adela-Massiv ins Tal fließende Glaciar Grande überwindet einen Höhenunterschied von insgesamt etwa 2.000 Metern, bis er sich schließlich (rechts) mit dem Glaciar Torre vereint und in die Laguna Torre kalbt. Regelmäßig brechen von der Gletscherzunge große Eisbrocken ab, die dann als „Eisberge“ vom Wind peu à peu ans östliche Ufer getrieben werden]


[Bild: Der Glaciar Grande (de-facto nur ein unbedeutender Mini-Nebengletscher des Campo del Hielo Sur) weist eine der wildesten Gletscherbruch- bzw. Spaltenzonen der Umgebung auf. Die oberhalb des Gletschers in den eisigen patagonischen Himmel ragenden Cerro Doblado (2665 m.) und Cerro Ñato (2797 m.) werden (vorsichtig ausgedrückt) nicht allzu häufig aufgesucht]


[Bild: Ausblick von der Moräne der Laguna Torre über das von Eisbergen geprägte Ostende des Sees zum markanten Cerro Solo (2121 m.) - Rechts ist ein Teil des Glaciar Grande zu erkennen, welcher hauptverantwortlich für das „(ant-)arktische Flair“ des Gletschersees ist. Nach ein paar windig-kalten aber unglaublich spektakulären Stunden bei der Laguna geht es nun entspannt wieder zurück nach El Chaltén]


Tag 20

Loma del Pliegue Tumbado

(Parque Nacional Los Glaciares)


Manchmal sind die gänzlich spontanen, intuitiv verfolgten Entscheidungen die besten. Manchmal hat man diese ganz speziellen Eingebungen, diesen Recherche-Aha-Moment, diese Vermutung, dass man etwas ganz besonders Tollem „auf der Spur“ ist. Der Loma del Pliegue Tumbado (1520 m.) ist ein östlich des Cerro Solo (2121 m.) gelegener Aussichtsgipfel, der zwar wenige Kilometer außerhalb des Parque Nacional Los Glaciares liegt, zugleich aber wohl der beste Ort rund um El Chaltén ist, um sich einen wahrhaft umfassenden Gesamtüberblick über die Region zu verschaffen. 1100 Hm, 10 km (einfach) und 3-4 Stunden Gehzeit trennen einen ab Ortsmitte von diesem Gipfel. Der Anfangsweg ist dabei der gleiche wie zu den Miradores de los Condores / de las Águilas, aber schon nach kurzer Zeit zweigt rechts der entsprechende Weg in Richtung Loma del Pliegue Tumbado bzw. Laguna Toro und Río Túnel ab. Über weite, sanft gewellte Graslandschaften geht es in angenehmer Steigung zügig bergauf, während der wuchtige Fitz Roy allgegenwärtig ist. Es ist strahlend sonnig, zum ersten Mal absolut wolkenlos. Solche Tage sind rund um El Chaltén sehr selten! Nach einiger Zeit leitet der Weg durch einen schönen Bergwald und weiter oberhalb schließlich in freies, zunehmend gerölliges Gelände. In einer immer kargeren, fast vulkanisch anmutenden Landschaft geht es zunächst empor zum vorgelagerten Aussichtspunkt des Loma del Pliegue Tumbado (200 Hm unterhalb des Gipfels). Schon von hier hat man einen so unfassbar schönen Ausblick auf Cerro Torre und Fitz Roy, dass es einem den Atem raubt. Man befindet sich hier südöstlich oberhalb der Laguna Torre und ist nicht so nah dran an den Bergen, wie Tags zuvor. Aber dafür hat man von hier ein umfassendes Gesamtpanorama. Es bieten sich von hier zudem ganz besondere, gar einmalige Perspektiven, zum Beispiel in das weltenferne Tal zwischen Cerro Torre und Fitz-Roy-Massiv mit dem Glaciar Torre und zur dahinter liegenden „verborgenen Welt“ rund um die unbekannten Granitriesen namens Cerro Piergiorgio und Cerro Pollone. Vom Aussichtspunkt sind es dann noch 200 steile, mühsame Höhenmeter über eine ruppige Schutt- und Geröllflanke, aber der einmalige Ausblick vom Gipfel des Loma del Pliegue Tumbado (1520 m.) entschädigt dann sofort für alle Mühen. Trotz des nahezu perfekten Wetters ist es sehr, sehr kalt, denn es weht (natürlich) mal wieder ein eisiger Wind. Aber das ist Schall und Rauch. Der Loma del Pliegue Tumbado ist (in Kombination mit dem so außergewöhnlich schönen Wetter) letztlich vielleicht mein persönliches, ganz unerwartetes Highlight der Patagonienreise. Und das sagt viel aus.


[Bild: Aguja Poincenot (3002 m.) und (Cerro) Fitz Roy (3405 m.) im ersten Licht des Tages von El Chaltén aus gesehen. Noch ahne ich zu diesem Zeitpunkt nicht, was für ein großartiger Tag mir bevorsteht]


[Bild: Von El Chaltén geht es auf einem einfachen Wanderweg über weite, grasbewachsene Hänge in südliche Richtung bergauf, den alles dominierenden Fitz Roy (3405 m.) immer zur Rechten. Das Gehen fällt bei so einem grandiosen Setting nicht immer leicht - Ständig hält man an um zu fotografieren, da das unberechenbare Wetter einem ja jederzeit einen Strich durch die Rechnung machen könnte]


[Bild: Blick beim Aufstieg zum Loma del Pliegue Tumbado in Richtung Aguja Poincenot (3002 m.) und Fitz Roy (3405 m.) mit der Brecha de los Italianos dazwischen. Rechts Aguja Val de Biois (2653 m.), Aguja Mermoz (2732 m.) und Aguja Guillaumet (2574 m.) - Egal wie oft man diese großartigen Spitzen anschaut, man entdeckt doch jedes mal neue faszinierende Konturen, vermeintliche „Linien“...]


[Bild: Cerro Torre (3128 m.) mit Torre Egger (2850 m.), Punta Herron (2750 m.) und Aguja Standhardt (2730 m.) links daneben von Osten - Besonders auffällig sind die markanten Gipfeleispilze („Mushroom Ice“) von Cerro Torre und Torre Egger. Für Spitzenalpinisten, die eine Besteigung dieser abweisenden Granitnadeln versuchen, stellen sie die letzte große Hürde vor dem jeweils höchsten Punkt dar]


[Bild: Aguja Poincenot (3002 m.) und Fitz Roy (3405 m.) von Südosten - Wer weiß, ob am heutigen Tag eine (oder gar mehrere) Seilschaft(en) den Aufstieg versuchen... Es ist zwar sonnig und (offenbar) wettertechnisch stabil, aber der Neuschnee der vergangenen Wochen ist noch nicht komplett geschmolzen. Die bekannteste und „einfachste“ Route auf den Fitz Roy („Supercanaleta“) weist zwar „nur“ technische Schwierigkeiten bis V+ / VI- (Eis 60-80°) auf, nicht ausgeschlossen ist aber, dass der spiegelglatte Granit teilweise (noch) vereist ist. In Kombination mit dem brutalen Wind eine große Herausforderung auch für Weltklasse-Kletterer, die normalerweise höhere technische Schwierigkeitsgrade gewöhnt sind]


[Bild: Vom vorgelagerten Aussichtspunkt des Loma del Pliegue Tumbado (200 Hm unterhalb des eigentlichen Gipfels) zeigt sich der Cerro Torre (3128 m.) aus einer einmaligen Perspektive - Faszinierend ist vor allem die östlich vorgelagerte lotrechte Felswand oberhalb des Glaciar Torre, die im unbekannten El Mocho (1953 m.) kulminiert]


[Bild: Blick vom Aussichtspunkt östlich unterhalb des Loma del Pliegue Tumbado zum Cerro Torre (3128 m.) mit Torre Egger (2850 m.), Punta Herron (2750 m.) und Aguja Standhardt (2730 m.) rechts daneben - Ganz rechts der wuchtige, oberhalb des Glaciar Torre als gewaltige Granitmauer emporragende Cerro Piergiorgio (ca. 2700 m.) und links davon der Gletscherdom names Cerro Domo Blanco (ca. 2500 m.) - Was für ein unglaubliches Panorama!]


[Bild: Tiefblick vom Gipfel des Loma del Pliegue Tumbado (1520 m.) zur gestern besuchten Laguna Torre. Interessanterweise hat sich ein Großteil der Eisberge vom östlichen Ende des Sees wegbewegt - Zwischen dem von Glaciar Grande und Glaciar Torre gespeisten Gletschersee und den großen Granitgiganten des Nationalpark Los Glaciares namens Cerro Torre (3128 m.) und Fitz Roy (3405 m.) liegen über 2.500 Hm Differenz]


[Bild: Der südlich des Loma del Pliegue Tumbado durch ein langgezogenes, von Gletschern geformtes Tal verlaufende Río Túnel wird vom einsamen Cerro Huemul (2677 m.) überragt. Über den Gipfel des Berges verläuft (je nach Definition) die argentinisch-chilenische Grenze. Rechts in der Ferne sind ein paar hochgelegene Gipfel des Campo del Hielo Sur (z. B. Cerro Padre Hurtado und Cerro Christian Buracchio) zu erkennen]


[Bild: Der eisgepanzerte Cerro Grande (2751 m.) ist der südliche Endpunkt der vom Cerro Torre über Adela-Massiv, Cerro Doblado und Cerro Ñato etliche Kilometer nach Süden ziehenden „Mauer“. Er wird (hier erkennbar) vom Glaciar Río Túnel Inferior und (weiter nordöstlich) vom Glaciar Grande umgeben, direkt dahinter befinden sich die endlosen Gletscherweiten des Campo del Hielo Sur - Was für ein toller und doch so unbekannter Berg!]


[Bild: Cerro Solo (2121 m.) von Osten vom Loma del Pliegue Tumbado - Rechts die von unzähligen Hängegletschern, Felsrippen und Eisflanken geprägte Ostwand des Cerro Adela]


[Bild: Cerro Piergiorgio (ca. 2700 m.) von Südosten vom Loma del Pliegue Tumbado - Der aus den eisigen Weiten des Glaciar Torre wuchtig emporragende Granitberg ist der krönende Abschluss des Tals zwischen Cerro Torre und Fitz-Roy-Massiv. Der Berg wurde im Jahr 1963 durch die Argentinier Jorge und Pedro Skvarca erstbestiegen (auch wenn sie rein technisch gesehen nicht den allerhöchsten Punkt erreichten) und hat trotz der entlegenen Lage und der komplizierten Zugänge vor allem in den letzten 15 Jahren einige Erstbegehungen verzeichnet. Trotz allem steht der Cerro Piergiorgio ganz klar im Schatten seiner wesentlich berühmteren Nachbarn. Links hinten kann man den stark vergletscherten Cerro Domo Blanco (ca. 2500 m.) und rechts den Cerro Pollone (2579 m.) erkennen]


[Bild: Ein ungleiches Paar: Das eisgepanzerte Adela-Massiv (2938 m.) steht im harten Kontrast zum eleganten Cerro Torre (3128 m.), der zusammen mit seinen nicht minder eindrucksvollen Trabanten namens Torre Egger (2850 m.), Punta Herron (2750 m.) und Aguja Standhardt (2730 m.) fast alle Blick auf sich zieht]


[Bild: Vielleicht der schönste Moment meiner Patagonien-Reise - Bei traumhaftem Wetter setze ich mich unterhalb des Loma del Pliegue Tumbado in die Sonne und genieße das unvergeichliche Panorama des nördlichen Parque Nacional Los Glaciares. Natürlich begeistern vor allem Cerro Torre und Fitz Roy, doch letztlich es ist das Gesamtbild, diese einmalige Komposition aus lotrechten Granitwänden, abweisenden Gletscherbruchzonen, wilden Eisflanken und (als i-Tüpfelchen) Laguna Torre, die mich vollkommen sprachlos zurückgelassen hat. Wer die Umgebung von El Chaltén an so einem schönen Tag erleben darf, ist wirklich gesegnet]


[Bild: Kaum zu glauben, wie noch vor wenigen Tagen alle Höllen der Erde um Cerro Torre und Cerro Piergiorgio peitschten! Man vergisst es an einem Tag wie heute nämlich nur allzu leicht, aber wochenlange Schlechtwetterphasen sind im Nationalpark Los Glaciares keine Seltenheit. Es gibt Reisende bzw. Touristen, die sich 2-4 Wochen in El Chaltén einquartieren und den Cerro Torre dabei nicht ein einziges Mal zu Gesicht bekommen]


[Bild: Rückblick zum Gipfel des Loma del Pliegue Tumbado (1520 m.), welcher im Grunde vor allem aus weiten Geröll- und Schuttflanken besteht. Rechts erkennt man den omnipräsenten Cerro Solo (2121 m.) und den links dahinter hervorlugenden Cerro Grande (2751 m.) - Aufgrund der vergleichsweise geringen Höhe ist der Loma nicht vergletschert und dadurch auch einfachen Wanderern zugänglich]


[Bild: Der nördliche Teil des Parque Nacional Los Glaciares in all seiner eisigen Pracht (von links nach rechts):

Cerro Grande (2751 m.), Cerro Solo (2121 m.), Cerro Ñato (2797 m.), Adela Sur (2840 m.), Cerro Adela (2938 m.), Adela Norte (2825 m.), Cerro Torre (3128 m.), Torre Egger (2850 m.), Punta Herron (2750 m.), Aguja Standhardt (2730 m.), Cerro Domo Blanco (ca. 2500 m.), Cerro Piergiorgio (ca. 2700 m.), Aguja Saint-Exupery (2558 m.), Aguja Poincenot (3002 m.) und Fitz Roy (3405 m.) bilden zusammen mit der von Eisbergen geprägten Laguna Torre ein in der Form einmalig schönes Panorama!]


[Bild: Das Adela-Massiv südlich des Cerro Torre weist drei eigenständige Gipfel (von links nach rechts) auf:

Adela Sur (2840 m.), Cerro Adela (2938 m.) und Adela Norte (2825 m.) - Der von unzähligen, stark zerklüfteten Gletschern (wie hier dem Glaciar Grande) eingerahmte Riese schirmt das dahinter liegende Campo del Hielo Sur erfolgreich vor den Augen der Menschen ab und krönt eine Reihe spektakulärer Wandfluchten, die von wilden Eiskanälen und Felsrippen durchzogen werden - Was für ein formschöner und doch so unbekannter Berg]


[Bild: Cerro Piergiorgio (ca. 2700 m.) im Zoom von Südosten - Durch die oberhalb der Hängegletscher und Bruchzonen senkrecht emporragenden Granitwände führen einige vogelwilde, zum Teil noch nie wiederholte Kletterrouten]


[Bild: Cerro Domo Blanco (ca. 2500 m.) und Cerro Piergiorgio (ca. 2700 m.) vom Loma del Pliegue Tumbado - Links ist der von wilden Felsnadeln geprägte Verbindungsgrat zum Cerro Torre erkennbar]


[Bild: Ausblick beim Abstieg vom Loma del Pliegue Tumbado über die unmittelbare Umgebung von El Chaltén (der Ort selbst befindet sich in dem markanten, langgezogenen Tal des Río de las Vueltas). Links in der Ferne grüßt der stark vergletscherte Cerro Vespignani (2146 m.) herüber - Ein Tag für die Götter!]


[Bild: Wunderwelt Parque Nacional Los Glaciares! An einem Tag wie heute weiß man nicht, welchen der zahlreichen Granitriesen rund um Cerro Torre und (Cerro) Fitz Roy man als nächstes ins Auge nehmen soll... In der Tiefe fließt der von der Laguna Torre gespeiste Río Fitz Roy ins Tal nach El Chaltén und immer wieder fliegt ein Andenkondor-Pärchen über meine Köpfe hinweg - Es hätte wohl keinen schöneren Abschluss meiner Zeit im argentinischen Teil Patagoniens geben können]


[Bild: Wie gerne würde ich mich an einem Tag wie heute einem Andenkondor gleich in die Lüfte erheben und eine Runde über dem herrlichen Nationalpark Los Glaciares drehen... Wie gerne würde ich die eisgepanzerten Wände von Cerro Adela und Cerro Piergiorgio abfliegen, wie gerne würde ich für einen kurzen Moment auf den fragilen Gipfeleispilzen von Cerro Torre und Torre Egger landen, nur um mich dann in atemberaubende Tiefen zu stürzen und über dem zerklüfteten Glaciar Grande wieder aufzutauchen - Vielleicht ist es ganz gut, dass die Natur dem Menschen solche Grenzen gesetzt hat, denn was wäre das Leben schon ohne Fantasie und (Tag-)Träume?]


[Bild: Fast 2.800 Meter Höhenunterschied (!) liegen zwischen der Laguna Torre und dem Gipfel des Fitz Roy. Und auch zum „näher“ gelegenen Gipfel des Cerro Torre sind es einschüchternde 2.500 Hm - Der Parque Nacional Los Glaciares ist ein Gebiet enormer Höhenunterschiede und ungezügelter Naturgewalten]


[Bild: Ein letztes Foto vom wunderbaren Cerro Torre (3128 m.), bevor es wieder zurück ins Tal nach El Chaltén geht - Keine einzige Wolke hat die filigrane Granitnadel heute eingehüllt. Solche Tage, an denen man auch die angrenzenden Torre Egger, Punta Herron und Aguja Standhardt ohne Sorge vor einem plötzlichen Wetterumschwung in Ruhe bewundern kann, sind wahrlich etwas besonderes]


Tag 21 und 22

Von El Chaltén nach Puerto Natales (Chile) -
Cueva del Milodón, Laguna Sofía und Fiordo Eberhard


Nach dem gestrigen, fulminanten Abschluss meiner Zeit in El Chaltén ist nun mal wieder „Strecke machen“ angesagt. Das Ziel ist Puerto Natales in Chile, das Tor zum Nationalpark Torres del Paine und wichtige Zwischenetappe auf dem Weg nach Punta Arenas. Die Magellanstraße kommt mit großen Schritten näher. Doch zunächst einmal geht es am Morgen mit dem Bus retour nach El Calafate, wo man wiederum in den Bus nach Puerto Natales umsteigt. Die anschließende Fahrt durch die konturlosen, aufgrund der gewaltigen Dimensionen fast schon melancholisch anmutenden Weiten der südpatagonischen Pampa ist trist und unspektakulär. Abseits der gewaltigen Eismassen und Berge der Anden im Westen ist Patagonien auf argentinischer Seite in weiten Teil einfach nur flach und steppenartig. Kein Wunder also, dass man sich bevorzugt im Grenzgebiet und/oder direkt am Meer aufhält. Nach der problemlosen (erneuten) Einreise nach Chile und der ersten „Vor-Ort-Akklimatisation“ in Puerto Natales (Unterkunft finden, sich zurechtfinden etc.) organisiere ich mir kurzfristig noch einen Ausflug für den morgigen Tag zur Cueva del Milodón („Höhle des Mylodon“), einer Riesenhöhle in der einst die Knochen eines urzeitlichen Riesenfaultiers gefunden wurde. In Verbindung mit der Besichtigung der schönen Laguna Sofía und dem Abfahren des Fiordo Eberhard ist das eine tolle Gelegenheit, um einen guten ersten Eindruck der unmittelbaren Umgebung von Puerto Natales zu gewinnen. Und zudem kann ich mir in aller Ruhe die Fahrt in den Nationalpark Torres del Paine organisieren und weitere Planungen anstellen. Trekking im Bereich der Torres del Paine ist nämlich (leider) sehr, sehr kompliziert...


[Bild: Puerto Natales ist mit ca. 20.000 Einwohnern die Hauptstadt der chilenischen Provinz Última Esperanza („Provinz der letzten Hoffnung“). Die direkt am Wasser gelegene und über ein Netz aus Fjorden direkt mit dem Pazifik verbundene Stadt lebt von der Schafzucht, dem Fischfang und der Forstwirtschaft. Zu relativem Wohlstand ist die Stadt aber nicht zuletzt durch den (abgesehen von Corona...) boomenden Tourismus gekommen. Puerto Natales ist das Tor zum wunderbaren Nationalpark Torres del Paine. Nahezu alle Trekking- und Kletter-Abenteuer in diesem fantastischen Schutzgebiet nehmen ihren Anlauf in der windgebeutelten Stadt. Auch wer eine Expedition in den entlegenen Nationalpark Bernado O'Higgins oder eine Kreuzfahrt durch die chilenischen Fjorde nach Feuerland oder Puerto Montt unternehmen will, wird zwangsläufig diesem (heutigen) Gore-Tex-Mekka einen Besuch abstatten]


[Bild: Ausblick vom Hafen von Puerto Natales zum stark vergletscherten Monte Balmaceda (2035 m.) - Es besteht die Möglichkeit, Bootsausflüge durch den Fiordo de Última Esperanza in die Nähe des Berges und zum Serrano-Gletscher zu machen. Dies ist wohl die einfachste Möglichkeit, einen Ausflug in den ansonsten weitestgehend unzugänglichen Parque Nacional Bernardo O'Higgins zu machen]


[Bild: Bei der idyllischen Laguna (Lago) Sofía nordwestlich von Puerto Natales]


[Bild: Die Laguna Sofía kann über die schottrige Y-280-Straße (Abzweigung von der Ruta 9 Norte zum Nationalpark Torres del Paine) erreicht werden und lohnt (bei einigermaßem windstillem Wetter) für einen entspannten Spaziergang]


[Bild: Blick in die etwa 200 Meter lange, wirklich riesige Cueva del Milodón („Höhle des Mylodon“) - Die Höhle wurde 1895 von dem deutschen Abenteurer (und Siedler) Hermann Eberhard entdeckt und nach dem prähistorischen Riesenfaultier Mylodon benannt]


[Bild: Eine Besichtigung der Cueva del Milodón lohnt sich und stellt (vor allem bei Schlechtwetter) eine tolle Option für einen Halbtagesausflug (ab Puerto Natales) dar. Ein Rundweg führt durch die düstere Höhle, anschauliche Infotafeln halten interessante Fakten zu Geologie, Geschichte, Flora und Fauna der Region bereit und ein Netz aus gepflegten Wanderwegen rund um die Höhle führt zu schönen Aussichtspunkten. Die lebensgroße Nachbildung des Mylodon beim Aussichtspunkt ist zwar bei vielen Touristen (als Fotomotiv) beliebt, in meinen Augen jedoch nicht ansprechend und eigentlich sogar ziemlich hässlich. Ich habe mich bewusst geweigert, sie zu fotografieren]


[Bild: Die Cueva del Milodón ist als sogenanntes „Monumento Natural“ besonders geschützt und zugleich eine der touristischen Hauptattraktionen rund um Puerto Natales]


[Bild: Ausblick über den windgepeitschten Fiordo Eberhard, ein kleiner Seitenarm des Fiordo de Última Esperanza - Den deutschen Namen verdankt der Fjord einem gewissen Hermann Eberhard. Mit gerade einmal 17 Jahren zur Handelsmarine gekommen, reiste er schließlich als Kapitän zu den Falklandinseln. Nachdem er 1887 seine Reederei („Kosmos“) verlassen hatte, begann er die Möglichkeit einer Besiedlung von West-Patagonien zu verfolgen. 1892 führte ihn eine Expedition in die heutige Región de Magallanes y de la Antártica Chilena. Er siedelte bei Puerto Consuelo in der Provinz Última Esperanza und gründete eine große Schafzucht. 1894 erhielt er vom Gouverneur weitere 20.000 ha Land bei Río Turbio und ein Jahr später entdeckte er die Cueva del Milodón, was sich als wissenschaftliche Sensation entpuppte. 1899 wurde er schließlich zum deutschen Konsul in Río Gallegos ernannt. Hermann Eberhard gilt in Chile als eine der wichtigsten Persönlichkeiten bei der Besiedlung der Region rund um Puerto Natales - Wie hart und unglaublich entbehrungsreich das Leben der Menschen damals hier gewesen sein muss, kann man sich kaum vorstellen!]


[Bild: Blick über den einsamen Fiordo Eberhard und zum Nationalpark Torres del Paine in der Ferne]


[Bild: Tourismus und die Rohstoff-orientierte Nutzung der Ressourcen (Fischfang, Holz und Wolle) haben der Region um Puerto Natales zu einem (für chilenische Verhältnisse) gewissen Wohlstand verholfen, dennoch bleibt ein Leben am Fiordo de Última Esperanza eine stetige Grenzlanderfahrung, der man gewachsen sein muss]


Tag 23

Lago Torres - Base de las Lorres
(Parque Nacional Torres del Paine)


Auf in den Nationalpark Torres del Paine!


Wer an Patagonien denkt, denkt wohl zuallererst entweder an den Perito-Moreno-Gletscher oder eben an die berühmten „Türme des blauen Himmels“ („Paine“ bedeutet in der Sprache Tehuelche-Indianer „himmelblau“). Wirklich klaren, blauen Himmel wird man hier aber nur im absoluten Glücksfall haben. Nur allzu häufig wird der Himmel von dichten Regenwolken beherrscht, die unzugänglichen Gletscher von Campo del Hielo Sur und Nationalpark Bernado O'Higgins sind hier ganz nah. Zur Wahrheit gehört aber auch die absolute Unberechenbarkeit des Wetters. Man kann bei einem Besuch des Nationalparks alle 4 Jahreszeiten an einem Tag erleben. Strahlender Sonnenschein kann urplötzlich durch eisigen Wind und einen Hagelschauer abgelöst werden. Deswegen sind Wander-, Trekking- und Klettertouren im Nationalpark Torres del Paine stets eine besondere Herausforderung.


Ursprünglich hatte ich im Zuge der Planung meiner Patagonienreise natürlich mit einer großen, mehrtägigen Trekkingtour durch den Nationalpark geliebäugelt. Mindestens das berühmte 3-4 tägige „W“, lieber aber sogar das große „O“, also die komplette 7-8 tägige Komplettumrundung der Torres. Dass es letztlich „nur“ diese eine Tagestour zum berühmten Aussichtspunkt Base de las Torres am gleichnamigen Lago Torres geworden ist, hat multiple Gründe. Der Nationalpark Torres del Paine ist landschaftlich von atemberaubender Schöneit. 1959 vom chilenischen Staat offiziell gegründet und 1978 von der UNESCO zum Biosphärenreservat erklärt, hat der Nationalpark weit mehr zu bieten als seine namensgebenden Granittürme. Gewaltige Gletscher wie der berühmte Glaciar Grey, azurblaue Seen wie der Lago Nordenskjöld oder der Lago Pehoé, dichte, unzugängliche Wälder und Schluchten, endlos weite Steppen voller Guanakos und über allem die surreal anmutenden Granitwunder der Torres del Paine sowie die farbenprächtigen Cuernos: Es ist nachvollziehbar, warum es sich in den vergangenen 20 Jahren in der Welt herumgesprochen hat, dass da tief im Süden Chiles einer der spektakulärsten Nationalparke Südamerikas liegt. Über die Jahre kamen immer mehr Besucher und verursachten eine schleichende Überlastung der Parkinfrastruktur. Mehrfach wurden von unvorsichtigen Touristen riesige Waldbrände ausgelöst, bei denen zum Teil bis zu 15.000 ha Fläche (!) abbrannten. Flora und Fauna des Parks hatten zunehmend zu leiden und auch das Gesamterlebnis der Touristen wurde aufgrund des „zu viel an Menschen“ deutlich geschmälert. Aus diesem Grunde wurde von der Corporación Nacional Forestal (CONCAF), der chilenischen Forstbehörde, ein striktes Reservierungssystem eingeführt. Um den Nationalpark offiziell betreten zu dürfen, muss man (idealerweise vorab online) ein Eintrittsticket erwerben, das (Stand: Februar 2023) für ausländische Erwachsene in der Hauptsaison stolze 35 Dollar kostet. Um allerdings mehrtägig im Nationalpark unterwegs sein zu können, muss man entsprechende Reservierungsbestätigungen für die Unterkünfte der Wahl (z. B. Hotel, Berghütte oder Campingplatz) vorweisen. Auch die Campingplätze müssen tatsächlich konsequent vorab gebucht werden - und zwar alle. Jegliche Spontanität und Flexibilität ist hier weitestgehend unmöglich. Und die Ranger kontrollieren bzw. setzen die Regeln auch durch! Das alles dient (verständlicherweise) der Besucherlenkung, erzeugt bei mir jedoch (leider) das Gefühl von Unfreiheit und eine innerliche Abwehrhaltung. Ich verstehe, warum der Staat Chile diese Regelungen eingeführt hat. Aber es nimmt mir leider ganz klar die Lust auf mehrtägige Aktionen. Dazu kommen die in meinen Augen unverschämt hohen Preise für die Unterkünfte. Der Nationalpark ist eine Cash Cow und das Wandern in ihm deutlich (!) teurer als z. B. in den Alpen. Mit all dem könnte ich mich letztlich wohl arrangieren. Jedoch ist die Wettervorhersage für den Nationalpark in den Tagen vor meinem Aufenthalt in Puerto Natales durchgehend katastrophal (stets waren für den gesamten in Frage kommenden Zeitraum Regen und Temperaturen um den Gefrierpunkt vorhergesagt). Auch wenn mir bewusst ist, dass man das Wetter im Bereich der Torres del Paine nur bedingt verlässlich vorhersagen kann, ist mir das Ganze an dieser Stelle die Investition einer mittleren bis hohen dreistelligen Summe bzw. das Risiko einfach nicht weht.


Dass der Tag letztlich zum absoluten Volltreffer wurde und ich entgegen aller Prognosen (mal wieder bzw. natürlich?) traumhaft schönes Wetter hatte, ist wohl die Ironie des Schicksals. Eines Tages komme ich wieder. Und dann werde ich ein Zelt dabei haben, alle Schlafplätze brav im Vorfeld reserviert haben und es wettertechnisch einfach darauf ankommen lassen. Vielleicht. Denn die Torres del Paine habe ich nun immerhin in all ihrer Erhabenheit aus nächster Nähe gesehen.

Und die Welt hat noch so viel mehr zu bieten...


[Bild: Posieren vor atemberaubender Kulisse: Beim Lago Torres (Base de las Torres) unterhalb der imposanten Torres del Paine im gleichnamigen Nationalpark - Ein unvergesslicher Moment!]


[Bild: Entgegen der schlechten Wetterprognose zeigen sich die Torres del Paine heute von ihrer (relativ) gutmütigen, sonnigen Seite. Allerdings weht ein orkanartiger Wind und konstant „schaufelt“ das nahe Campo del Hielo Sur Wolken über die gewaltigen Granitspitzen hinweg. Es ist aufgrund des Windes sogar so kalt, dass ich hinter einem großen Felsblock Schutz suchen muss]


[Bild: Die farbenprächtigen (Los) Cuernos sind neben den Torres del Paine die (vor allem von Süden) markantesten Berge des Nationalparks. Die deutlich erkennbare „Trennlinie“ ist auf einen abrupten Gesteinswechsel zurückzuführen]


[Bild: Beim Lago Torres (Base de las Torres) - Die Torres del Paine bestehen aus (von links nach rechts) dem von hier seltsam klein wirkenden Torre Sur (2501 m.), dem scheinbar dominierenden Torre Central (2460 m.), dem doppelgipfeligen Torre Norte (2260 m.) und dem halbverdeckten Cerro Nido de Cóndor (2243 m.) - Der Inbegriff eines steingewordenen Wunders]


[Bild: Auch wer (wie ich) vor dem vollkommenen Massentourismus im Nationalpark Torres del Paine tendenziell eher zurückschreckt, wird sich der Magie der Torres nicht (gänzlich) entziehen können - Die Wanderung zur Base de las Torres (800 Hm, 10 km und 3-4 Stunden einfache Gehzeit) gehört wohl zu den besten Tagestouren, die man im Nationalpark unternehmen kann]


[Bild: Die Torres del Paine zu besteigen, gehört zu den absoluten Traumzielen ambitionierter Weltklasse-Kletterer. In der Ostwand des Torre Central (2460 m.) haben beispielsweise schon so illustre Personen wie Kurt Albert und Wolfgang Güllich, Ines Papert, die Favresse-Brüder und Seán Villanueva ihre Spuren hinterlassen]


[Bild: Auch an einem sonnigen Tag wie heute zeigen die wilden Torres del Paine in Form von stürmischem, eiskaltem Wind ihre Zähne! Nur allzu häufig bleibt Wanderern im Nationalpark der Ausblick auf die gewaltigen Granitsäulen verwehrt. Das nur wenige Kilometer westlich gelegene Campo del Hielo Sur fungiert nämlich seit jeher (und sehr zuverlässig) als wettertechnischer Hexenmeister]


[Bild: Faszination Torres del Paine...In Kombination mit einem (relativ) windgeschützten Platz und 4 Lagen (an Klamotten) halte ich es trotz orkanartigem, wirklich sehr unangenehmem Wind ein paar Stunden bei der Base de las Torres aus. Ich hatte den Lago Torres vergleichsweise schnell erreicht und muss nur mehr zur Busstation absteigen - Wer weiß, ob und ggf. wann ich jemals zurückkehren werde...]


[Bild: Wer das Tal des Río Ascencio weiter in nordwestliche Richtung durchqueren will (um z. B. zum Camp. Japonés zu gelangen), benötigt eine Sondererlaubnis der CONAF. Die meisten Wanderer im Nationalpark Torres del Paine werden diesen entlegenen Bereich nicht kennenlernen, er ist für W- und O-Trekking nicht relevant]


[Bild: Das Tal des Río Ascencio wird begrenzt von wilden, so gut wie nie betretenen Steilflanken - Im Nationalpark Torres del Paine sind zwar Jahr für Jahr hunterttausende Wanderer unterwegs, sie halten sich jedoch (in der Regel) an die angelegten und ausgeschilderten Wanderwege]


[Bild: Ein Traumtag im Nationalpark Torres del Paine neigt sich so langsam dem Ende entgegen. Wer (wie ich) nur einen Tag zur Verfügung hat, wird (bei akzeptablem Wetter) mit einer Wanderung zum Lago Torre (Base de las Torres) via Windy Pass, Refugio y Camping (El) Chileno und Río Ascencio nichts falsch machen]


[Bild: Inmitten des traumhaft schönen Tal des Río Ascencio - Auch wenn das Ganze gewisse Jedermannsrecht-Vibes vermittelt, so ist wildes Campen doch im ganzen Nationalpark streng verboten. Wenn man sich vor Augen führt, dass zwischen 1985 (damals waren es nur ca. 1.500 Touristen im NP) und 2017 die Besucherzahlen um mehr als 17.000 (in Worten: Siebzehntausend) Prozent (!) angestiegen sind, ist das nur allzu verständlich]


[Bild: Der unter anderem vom Lago Torre gespeiste Río Ascencio bahnt sich so elegant wie gleichermaßen unaufhaltsam seinen Weg ins Tal]


[Bild: Blick vom Windy Pass zurück über das urwüchsige Tal des Río Ascencio - Der Aufstieg zum Lago Torre (Base de las Torres) verläuft linkerhand durch den Wald hinter der markanten Geröllflanke]


[Bild: Beim Weg vom Refugio Chileno zurück zur Busstation (östlich vom Refugio Torre Central bzw. Norte) begeistert der (scheinbar) endlos weite Ausblick über die offenen Steppenlandschaften des östlichen Nationalparks]


[Bild: Ausblick beim Abstieg vom Lago Torres (Base de las Torres) über den östlichen Teil des weitläufigen Nationalparks Torres del Paine]


Tag 24 und 25

Von Puerto Natales nach Punta Arenas -
Isla Magdalena (Monumento Natural Los Pingüinos) und
Fuerte Bulnes (Estrecho de Magallanes)


Nach dem gestrigen, versöhnlichen Abschluss der Reise durch Patagonien kommt es heute de-facto zu einem Cut. Denn heute verlasse ich (formell) Patagonien und mache mich auf den Weg zu meinem Endziel, Punta Arenas. Nicht jedoch, weil es schon wieder zurück gen Heimat geht (ich habe glücklicherweise noch ein paar Tage), sondern weil ich mir bewusst ein paar Tage Zeit für die nähere Umgebung von Punta Arenas nehmen will. Das mag seltsam tönen, angesichts der Nähe zu den Torres del Paine (der Nationalpark ist nur 4-5 Stunden Fahrzeit von Punta Arenas entfernt). Das Ganze ist jedoch auch dem Bedürfnis nach einem zeitlichen Rückreise-Puffer sowie der nach wie vor virulenten Idee, es vielleicht doch noch nach Tierra del Fuego (Feuerland) zu schaffen, geschuldet.


In Punta Arenas angekommen, organisiere ich mir zuerst für den kommenden Tag eine Bootsfahrt durch die weltbekannte Estrecho de Magallanes (Magellanstraße) zur Isla Magdalena. Nach 2015 (Humboldt-Pinguine auf den Galápagos-Inseln) will ich zum zweiten Mal in meinem Leben Punguine spoten, nur diesmal eben Magellan-Pinguine. Und so geht es tags darauf in aller Früh zum Hafen von Punta Arenas und über die stürmisch-raue Magellanstraße zur Isla Magdalena. Der Wind ist hier noch einmal deutlich markanter als weiter nördlich. Man spürt, dass einen nur mehr die Tierra del Fuego von antarktischen Gewässern trennt. Doch den zahllosen Magellan-Pinguinen auf der Insel scheint dieses unwirtliche Klima zu gefallen. Sie brüten in Scharen auf der von fischreichen Gründen umgebenen Insel und lassen sich von den Touristen nicht stören. Ein mit dicken Tauen befestigter Rundweg führt von der Anlegestelle zum Leuchtturm auf dem höchsten Punkt der Insel und im Bogen wieder zurück zum Wasser. Unterwegs hat man ausgiebig Zeit, die possierlich-putzigen Pinguine sowie ihre brütenden Nachbarn, die Dominikanermöwen, zu beobachten. Man wird zwar hier in einer knappen Stunde über die Insel „geschleust“, aber das Ganze macht Spaß und lohnt sich definitiv, auch wenn es mit (Stand: Februar 2023) knapp 80 Euro kein Schnäppchen ist. Wieder zurück in Punta Arenas organisiere ich mir aufgrund des unerwartet sonnigen Wetters noch spontan eine Nachmittagstour zum etwa 60 km südlich entfernten Fuerte Bulnes. Denn Punta Arenas ist normalerweise bekannt für seine wochenlangen Schlechtwetterphasen, in denen sich die Sonne nur selten durch den seitwärts daherpeitschenden Regen durchkämpft. Schönes Wetter muss man hier nutzen! Und so geht es wenige Stunden später zum sogenannten Parque Estrecho de Magallanes, in welchem sich das restaurierte Fuerte (= Fort) Bulnes befindet. Die Anlage erzählt in Kombination mit einem (sehr hochwertigen und sehenswerten) Museum die bewegte Geschichte der ersten Kolonialisten an der Magellanstraße (soviel vorneweg: der nahegelegene, schon 250 Jahre vor dem Fuerte Bulnes gegründete Puerto Hambre hat seinen Namen nicht von ungefähr...) und lohnt vor allem aufgrund der spektakulären Ausblicke über die Magellanstraße zur Tierra del Fuego. Das ist in Summe eine wirklich schöne, beschauliche Halbtagestour, die ich bei schönem Wetter jedem wärmstens empfehlen kann! Hier stimmt definitiv das Preis-Leistungsverhältnis und die Anzahl der Besucher hält sich häufig sehr in Grenzen.


[Bild: Auf der Bootsfahrt von Punta Arenas zur Isla Magdalena - Die Magellanstraße wird auch heutzutage noch von zahlreichen Schiffen als wichtige Seeroute genutzt, auch wenn sie aufgrund von Panamakanal und modernen nautischen Navigationsgeräten längst nicht mehr die Bedeutung hat, wie zwischen dem 17-19. Jahrhundert. Damals war die Magellanstraße die bevorzugte Alternative zum berühmt-berüchtigten Kap Hoorn südlich von Tierra del Fuego!]


[Bild: „Mach mir bloß keine Schande!“ - Eine Dominikanermöwe auf der Isla Magdalena begutachtet (kritisch?) ihren wenige Wochen alten Nachwuchs]


[Bild: Der Magellan-Pinguin („Spheniscus magellanicus“) kommt vor allem an den felsigen Küsten der Falklandinseln, von Chile und Argentinien sowie teilweise auch von Uruguay und Süd-Brasilien vor. Das schwerpunktmäßige Verbreitungsgebiet liegt aber (wie der Name bereits vermuten lässt) im südlichen Patagonien sowie auf der Tierra del Fuego]


[Bild: Die Dominikanermöwe („Larus dominicanus“) lebt vor allem an den Küsten von Südamerika, Südafrika, Australien und Neuseeland. Zudem handelt es sich hierbei um die einzige Möwenart weltweit, die auch auf der Antarktischen Halbinsel brütet - Ein zäher Geselle!]


[Bild: Die etwa 85 ha große Isla Magdalena ist das Herzstück des chilenischen Monumento Nacional Los Pingüinos. Im Umkreis von 30 km ist der Fischfang um die Insel verboten, um die Magellan-Pinguine zusätzlich zu schützen. Jedes Jahr brüten über 60.000 Paare sowie zudem Kormorane und Möwen auf der schroffen Insel, auf der lediglich vereinzelte Gräser wachsen]


[Bild: Die Magellan-Pinguine auf der Isla Magdalena haben sich mittlerweile an die regelmäßige Präsenz von Touristen und Forschern gewöhnt und lassen sich bei ihren Brutaktivitäten nicht stören. Die Guides achten zudem (in Kombination mit dem abgegrenzten Rundweg) darauf, dass niemand den Pinguinen zu nah kommt. Auf mich macht das Ganze einen sehr seriösen Eindruck]


[Bild: Die Magellangans („Chloephaga picta“) ist die häufigste Halbgansart Südamerikas, wobei ihr geschätzter Bestand von ca. 1 Mio. Exemplaren als rückläufig gilt - Wenn Ferdinand Magellan nur wüsste, was alles nach ihm benannt wurde...]


[Bild: Ausblick von der Isla Magdalena über die Magellanstraße nach Feuerland (am Horizont) - Es ist (trotz Sonnenschein) sehr kalt, windig und (aus Menschensicht) generell eher ungemütlich]


[Bild: Der seit 1976 unter Denkmalschutz stehende Leuchtturm auf der Isla Magdalena funktioniert heutzutage komplett vollautomatisch und dient zudem zusätzlich als Aussichtsturm und Informationszentrum für Touristen]


[Bild: Magellan-Pinguine legen in der Regel im Oktober ihre Eier. Die Brut dauert dann ca. 40 Tage, wobei sich Männchen und Weibchen nach etwa der Hälfte der Zeit abwechseln. Nach dem Schlüpfen der Jungvögel wechseln sich die Partner wiederum täglich beim sogenannten Hudern ab. Ein Elternteil geht abwechselnd morgens jagen und kehrt später am Tag zurück, so dass die Jungen einmal täglich gefüttert werden können. Die Bruthöhle fungiert als Schutz vor Wind und Kälte für die Jungvögel]


[Bild: Die etwa 60-70 cm großen Magellan-Pinguine ernähren sich vor allem von Fisch, Tintenfischen und Krill. Die Jagd findet dabei in Wassertiefen bis etwa 50 Meter statt, wobei manche Pinguine auch bis in 100 Meter Tiefe vordringen]


[Bild: Die IUCN geht von heutzutage noch etwa 1.3 Mio. Magellan-Pinguinen (weltweit) aus. Aufgrund von aktiver Gefährdung durch Überfischung, Erdölverschmutzung der Küsten bzw. Meere und sogar Bejagung gelten die Pinguine als „near threatened“ - Es ist also sehr wichtig, sich entschlossen für ihren Schutz einzusetzen]


[Bild: Ausblick vom Ende der Landzunge beim Fuerte Bulnes über die Magellanstraße - Dass die an der Schnittstelle von Roaring Forties und Furious Fifties gelegene Region seit jeher von gnadenlosen Westwinden geprägt wird, lässt sich an den Bäumen gut erkennen]


[Bild: Etwas mehr als 15 km liegen zwischen dem Fuerte Bulnes und der Isla Dawson - Die von kaum mehr als ein paar wenigen hundert hartgesottenen Menschen bewohnte Insel diente lange Zeit als Gefängnisort für Indigene und später Opfer des Pinochet-Regimes. Abgesehen von der düsteren Historie und dem kleinen, gottverlassenen Ort Puerto Harris an der Ostseite der Insel handelt es bei der Isla Dawson um 1.290 km² unzugängliche Wildnis mit maximal rauem, häufig stürmischem Wetter. Zum Teil monatelange Schlechtwetterphasen im Bereich der Isla Dawson sind aufgrund der Nähe zur Cordillera Darwin keine Seltenheit. Hört sich doch einladend an...]


[Bild: Bei für die Region ungewöhnlich schönem Wetter an den Küsten des Fuerte Bulnes - Am heutigen Nachmittag zeigt sich die Estrecho de Magallanes von ihrer gutmütigen Seite]


[Bild: Ausblick von den Küsten des Fuerte Bulnes zum Ende der Península de Brunswick („Braunschweig-Halbinsel“) mit dem südlichsten Punkt des amerikanischen Festlands, Cabo (Kap) Froward]


[Bild: Dass das Fuerte Bulnes tatsächlich als richtige Befestigungsanlage (Fort / Fortifikation) gegen Feinde gedacht war, verdeutlichen die zahlreichen Kanonen der restaurierten Anlage]


[Bild: Die restaurierte Holzkirche von Fuerte Bulnes wird heutzutage wieder für kleinere Gottesdienste und religiöse Anlässe der lokalen Bevölkerung (wie z. B. die Taufe) genutzt]


[Bild: Seit der Gründung der chilenischen Republik zu Beginn des 19. Jahrhunderts wollte die Regierung die Südspitze des Kontinents kolonialisieren (also de-facto den Indigenen dauerhaft wegnehmen) und seine (vermeintlichen) Gebietsansprüche festigen. 1842 beschloss der damalige chilenische Präsident Manuel Bulnes ein Schiff mit Soldaten und Siedlern an die Magellanstraße zu entsenden, um dort eine Kolonie zu gründen. Ende September 1843 erreichten die Kolonialisten die Magellanstraße und gründeten schließlich im Oktober die (nach dem Präsidenten benannte) Befestigungsanlage Fuerte Bulnes. Doch die Expeditionsteilnehmer hatten die extrem harten, im Grunde menschenfeindlichen klimatischen Bedingungen massiv unterschätzt. Monatelanger Regen, eisige Winde, die Unmöglichkeit von Landwirtschaft, Krankheiten und Elend (der nahe, bereits im Jahr 1584 gegründete Puerto Habre heißt nicht umsonst übersetzt Hungerhafen...) setzten den Menschen derartig zu, dass das Fort schon nach wenigen Jahren aufgegeben und stattdessen 60 km weiter nördlich der Ort Punta Arenas gegründet wurde. Als das Fort im Zuge revolutionärer Umtriebe schließlich in Brand gesteckt wurde und verfiel, schien die menschliche Geschichte des Ortes geschrieben. Doch Mitte des 20. Jahrhunderts wurde das Fort schließlich wieder aufgebaut und 1968 zu einem Monumento Nacional erklärt. Heutzutage liegt das Fort (inkl. schickem Museum) im Parque del Estrecho de Magallanes und setzt den mutigen Siedlern und Glücksrittern des 19. Jahrhunderts ein würdiges Denkmal]


[Bild: Die Lage von Fuerte Bulnes oberhalb der zur Magellanstraße abfallenden Klippen ist malerisch, täuscht jedoch (speziell bei schönem Wetter) darüber hinweg, dass das Leben der Kolonialisten hier extrem hart und entbehrungsreich war]


[Bild: Inmitten der weitläufigen Anlage des Fuerte Bulnes im Parque del Estrecho de Magallanes - Das Fort versprüht eine besondere, fast schon melancholische Atmosphäre]


[Bild: An herrlichen Spätsommertagen wie heute kann man sich kaum vorstellen, wie unglaublich hart das Leben der Kolonialisten Mitte des 19. Jahrhunderts gewesen sein muss. Im Gegensatz zu den (zu der Zeit) seit Jahrtausenden in der Region lebenden indigenen Völkern hatten sie keinerlei Erfahrung mit und Vorstellung von den klimatischen Verhältnissen der Magellanstraße. Das schöne Wetter in meinem Fall ist nicht repräsentativ, wochenlanger Regen in Verbindung mit eisigen Westwinden ist keine Seltenheit]


Tag 26

Tierra del Fuego (Feuerland)
(Parque Pingüino Rey + Porvenir)


So langsam aber sicher neigt sich meine große Reise dem Ende entgegen. In 2 Tagen wird es vom Flughafen bei Punta Arenas via Santiago de Chile und Madrid zurück nach Deutschland gehen. Mit Ushuaia, der südlichsten Stadt der Welt, wird es also diesmal leider nichts. Dafür fehlt mir einfach eine fünfte Urlaubswoche (was aber im Grunde der Inbegriff von „Meckern auf hohem Niveau“ ist). Auf der Suche nach einem letzten, großen Highlight werde ich allerdings unverhofft vor Ort in Punta Arenas auf die Option aufmerksam, Tierra del Fuego im Rahmen einer ausgedehnten Tagestour via Punta Delgada (Hin) und Porvenir (Zurück) einen Besuch abzustatten. Und zwar nicht um des Besuches willen, sondern um (erneut) Pinguine zu beobachten. Nur handelt es sich in diesem Fall tatsächlich um Königspinguine, welche man sonst nur auf entlegenen subantarktischen Inseln zwischen dem 45 und 55° Breitengrad (S) wie z. B. den Falklandinseln, Südgeorgien oder den Kerguelen findet. Sollte also tatsächlich doch noch ein Tagesausflug nach Feuerland möglich sein? Noch dazu in Kombination mit dem Beobachten von Königspinguinen. Klingt fast zu schön um wahr zu sein, ist jedoch seit etwas mehr als 10 Jahren Realität. Denn die Kolonie in der Bahía Inútil (der „Nutzlosen Bucht“) ist zwar mit ca. 80-100 Tieren nicht mit den Pinguinmassen von zum Teil mehreren Zehntausend Stück (!) auf den subantarktischen Inseln zu vergleichen, behauptet sich aber tapfer. Mittlerweile gibt es auch ein offizielles Schutzgebiet, den Parque Pingüino Rey (Park der Königspinguine), und eine kleine Administration kümmert sich vor Ort um die Besucher und passt auf, dass niemand den Pinguinen zu nah kommt. Wer Königspinguine in freier Wildbahn sehen und seinen Fuß auf die Tierra del Fuego setzen will, für den ist das hier (von Punta Arenas aus) die logistisch einfachste Option.


Nicht verschweigen darf man dabei allerdings die Tatsache, dass man sich effektiv vor Ort „nur“ etwa eine Stunde bei den Pinguinen aufhält und ansonsten den gesamten Tag mit Bus- und Bootsfahren (bzw. warten) verbringt. Schöner ist es natürlich, wenn man mit dem (Miet-)Auto auf Feuerland unterwegs ist und selbstständig agieren kann. So zahlt man aber für die Königspinguine einen hohen Preis, nicht so sehr im Hinblick auf die reinen Kosten (der Ausflug kostet in Summe unter 100 Euro) sondern vor allem in Bezug auf den notwendigen Transport. Insgesamt lohnt sich das Ganze aber in jedem Fall, vor allem bei schönem Wetter (wie mal wieder in meinem Fall). Kostengünstiger und einfacher wird man Königspinguine in freier Wildbahn nicht zu Gesicht bekommen. Zudem kann ich nun stolz von mir behaupten, in Feuerland gewesen zu sein. Zwar nicht in Ushuaia und im Beagle Kanal, nicht auf der Isla Navarino, nicht in Puerto Williams und auch nicht im berühmten Parque Nacional Tierra del Fuego - aber bei den Königspinguinen in der Bahía Inútil im Nordwesten der Insel bei Porvenir. Ich möchte eines Tages nach Feuerland zurückkommen und diesen Inbegriff vom Ende der Welt „so richtig“ erforschen, doch wer weiß, ob und wann das klappt...Insofern war das heute ein guter Kompromiss und ein würdiger Abschluss einer fantastischen Reise.


[Bild: Die Entdeckung der Königspinguin-Kolonie in der Bahía Inútil hat zu erhöhter touristischer Aufmerksamkeit für diesen abgelegenen Teil von Tierra del Fuego geführt]


[Bild: Ausblick vom Beobachtungspunkt des Parque Pingüino Rey zu den Königspinguinen. Die Parkverwaltung hat die Infrastruktur so angelegt, dass man den Pinguinen nicht zu nah kommt und sie ungestört brüten können]


[Bild: Warum sich der Königspinguin so lang macht und den Kopf in die Höhe streckt, werden wir leider nie erfahren]


[Bild: Ausblick vom Parque Pingüino Rey über die Bahía Inútil und die Magellanstraße nach Patagonien. Auch wenn es aufgrund des sonnigen Wetters nicht den Anschein macht, aber es ist extrem windig (!) und sehr, sehr kalt]


[Bild: Königspinguine können sich gegenseitig an ihren Rufen erkennen! Typischerweise zeigen rufende Königspinguine dabei mit dem Schnabel nach oben. Wer weiß, welche interessanten Gespräche diese schönen Vögel führen]


[Bild: Königspinguine sind in der Regel zwischen 80 und 100 cm groß und wiegen (wenn sie adult sind) zwischen 10 und 16 Kilogramm. Nur der rund um die Antarktis vorkommende Kaiserpinguin ist (wie der Name schon andeutet) eine noch größere Pinguinart]


[Bild: Königspinguine werden mit 3 Jahren geschlechtsreif und sind aufgrund der harten klimatischen Rahmenbedingungen für die Nachwuchsaufzucht während eines Brutzyklus streng monogam. Im Dezember legt das Weibchen das Ei. Männchen und Weibchen bebrüten es anschließend im zwei- bis dreiwöchigen Wechsel über einen Zeitraum von ca. 50-60 Tagen, während der Partner / die Partnerin jeweils auf Futtersuche ist. Gelebte partnerschaftliche Gleichberechtigung also bei den Königspinguinen]


[Bild: Königspinguine sind sehr gesellige Tiere. Sie jagen in Gruppen und bilden zum Brüten große Kolonien. An Land haben adulte Königspinguine keine natürlichen Feinde zu fürchten. Im Meer sieht die Lage dann in Form von Orcas oder Seeleoparden schon wieder anders aus]


[Bild: Königspinguine ernähren sich hauptsächlich von kleinen Fischen, Krill und Tintenfischen. Pro Jagd können sie bis zu 20 kg Meerestiere fressen. Zudem entfernen sie sich während der Brut bis zu 30 km von der jeweiligen Kolonie, wobei teilweise auch schon Exemplare in über 200 km Entfernung beobachtet wurden. Tauchgänge dauern bei der Jagd durchschnittlich um die 5-6 Minuten - Beeindruckende Daten dieses faszinierenden Vogels!]


[Bild: Ausblick über die einsame Kleinstadt Porvenir im Nordwesten von Feuerland - Zwar besteht durch ein paar staubige Straßen und vor allem die Fähre über die Magellanstraße nach Punta Arenas ein gewisser Anschluss an den Rest von Chile, grundsätzlich ist hier aber die Zeit stehen geblieben. Im Zuge eines Goldrauschs in Feuerland Ende des 19. bzw. Anfang des 20. Jahrhunderts hat es interessanterweise viele Kroaten hierher verschlagen]


[Bild: Ein letzter sturmumtoster Ausblick über die schroffe Magellanstraße, bevor es mit der öffentlichen Fähre von Porvenir zurück nach Punta Arenas geht - Der Tagesausflug nach Tierra del Fuego zu den Königspinguinen neigt sich dem Ende entgegen]


Tag 27 und 28

Punta Arenas -
Rückreise nach Deutschland


This is the end...


Oder aber alles hat ein Ende nur die Wurst hat zwei. So oder so ähnlich. Nach 4 aufregenden, zum Teil äußerst strapaziösen, vor allem jedoch unvergesslichen Wochen heißt es nun Abschied nehmen. Vor der Rückreise nach Deutschland steht am letzten Tag in Punta Arenas vor allem noch Postkarten schreiben, Souvenire und Geschenke kaufen sowie vor allem Revue passieren auf der „Agenda“. Doch gerade letzteres fällt mir schwer. Nur allzu leicht könnte man sich nun in einer bedeutungsschwangeren Aneinanderreihung von wohlklingenden Adjektiven verlieren. Doch ich denke, dass die vergangenen 26 Tage, die annähernd 300 Bilder dieses Blogs und vor allem die Tagesbeschreibungen und Bildbeschriftungen, die mein innerstes Empfinden dieser Reise wiederspiegeln, für sich sprechen.

Es ist schon alles gesagt, nur noch nicht von mir.


Patagonien ist gewaltig. Endlos weit. Ein Mythos, dem ich mich am Ende hoffentlich (ein bisschen) nähern konnte.

Wenn von „The last Frontier“ die Rede ist, ist ja gemeinhin Alaska gemeint (auch so ein schönes Ziel...) -

Für mich steht diese Formulierung jedoch sinnbildlich für alle entlegenen, wilden Regionen dieser Erde, in denen auch in der heutigen Zeit (trotz Globalisierung und Digitalisierung) noch echte Grenzland-Erfahrungen möglich sind. Patagonien ist diesbezüglich durch die Carretera Austral, die Ruta 40 und einige Fährverbindungen, durch ein paar Flughäfen und touristisch ausgebaute Städte wie El Chaltén, Puerto Natales oder Coyhaique zwar einigermaßen erschlossen und zugänglich, widersetzt sich jedoch erfolgreich einer echten „Zähmung“ durch den Menschen. Während der vergangenen 4 Wochen bin ich zwar das eine oder andere Mal in vergleichsweise wilden, rauen und abgelegenen Regionen unterwegs gewesen, zugleich aber stets in einem kontrollierten, beherrschbaren Setting. Ich habe stets in einem Bett geschlafen und war zu keiner Zeit jemals in Gefahr. Das Risiko, das ich in Summe eingegangen bin, war also zu jeder Zeit überschaubar. Patagonien würde hier nämlich nur allzu leicht die Möglichkeit bieten, die zivilisierte Welt vollständig hinter sich zu lassen. Vor allem die (nur ansatzweise bei der Fahrt zur Laguna San Rafael kennengelernte) chilenische Inselwelt zwischen der Isla Chiloé und dem Nationalpark Bernado O'Higgins ist der Inbegriff von völlig unzugänglichem Niemandsland, das vielfach noch nie ein Mensch betreten hat. Und allein das Wissen um solche Orte und das Bewusstsein, in einer Region unterwegs zu sein, in der es noch solche unberührten, fernen Lande gibt, ist schon faszinierend.


Wichtig war für mich auch das allgemeine Erfolgserlebnis im Hinblick auf das nahezu geräuschlose, vollständige Gelingen der Reiseplanung. Denn ich habe diese Reise nur etwa 5 Wochen vor Ablug in München mehr oder weniger spontan von Grund auf „aus dem Boden gestampft“. Abgesehen von den Flugtickets und dem ersten Hostel in Puerto Montt bin ohne eine einzige Buchung bzw. Reservierung angereist. Vor der Reise hatte ich 8 Jahre nicht ein Wort Spanisch gesprochen und zudem war es Corona-bedingt die erste wirklich große Fernreise seit 5 Jahren. All das hat mich im Vorfeld der Reise ein Stück weit in mich zusammenschrumpfen lassen und - ja - durchaus eingeschüchtert. Doch all diese Überlegungen waren letztlich Schall und Rauch. Wieder einmal hat sich die alte Weisheit bestätigt: Nicht zu viel nachdenken, sondern einfach machen! Das Leben ist zu kurz und die Wunder dieser Welt sind zu großartig bzw. schlicht und ergreifend auch einfach zu sehenswert, um Pläne und Träume aufzuschieben.

Patagonien war insofern Augenöffner und Tritt in den Hintern gleichermaßen.


Insofern: Gracias Patagonia. ¡Hasta la proxima vez!


[Bild: Das altehrwürdige Museo Regional de Magallanes zeugt von den ungeheuren Reichtümern und der Macht, die die Pioniere der Schafzucht zur Zeit des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts in Patagonien besaßen]


[Bild: Der Geist patriarchaler Unternehmer- und Industriellenfamilien umgibt die edlen Räume des Museo Regional de Magallanes. Doch mit der europäischen Belle Époque vor dem 1. Weltkrieg hat das nur bedingt etwas zu tun. Das Leben an der Magellanstraße war trotz des relativen Wohlstands stets sehr hart und das raue, unwirtliche Klima hat die stolzen Menschen dieser Region seit jeher geprägt]


[Bild: Eintauchen in eine längst vergangene Zeit im wunderschönen Museo Regional de Magallanes]


[Bild: Museo Regional de Magallanes im Zentrum von Punta Arenas - Ein Besuch ist (speziell an verregneten Tagen) sehr zu empfehlen und dazu auch noch kostenlos. Ein schöner, ruhiger Abschluss dieser großen Reise durch Patagonien]


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