2011 – Wildspitze (3768 m.)

stefanmitterer.de



Schwierigkeit:   PD  oder  WS

Charakter:  Von Nordwesten  -  vom Taschachhaus  -  reine Gletschertour, die jedoch aufgrund der Länge nicht unterschätzt werden sollte. Firn bis 35° Grad  /  am Gipfelgrat leichte Kletterei (Schwierigkeitsgrad I+). Die Wildspitze ist der höchste Berg der Ötztaler Alpen und der zweithöchste Österreichs. Mit einer Schartenhöhe von 2261 m. ist der höchste Berg Tirols alpenweit gesehen an vierter Stelle. Dieser weithin dominierende Berg bietet aufgrund seiner Ausnahmestellung innerhalb der Ostalpen eine grandiose Aussicht und wird aufgrund seines Prestiges sehr häufig bestiegen. In der Regel wird die Wildspitze von Süden  -  von der Breslauer Hütte  -  oder von Norden  -  vom Mittelbergjoch (Gletscherskigebiet Mittelbergferner) bestiegen. Nur ein relativ geringer Teil wählt die Routen von der Vernagthütte oder vom Taschachhaus her Richtung Gipfel. Letztere Route führt über den gesamten  -  teils äußerst zerklüfteten und zerrissenen  -  Taschachferner und ist der anspruchsvollste Normalanstieg. Praktisch während des gesamten Aufstiegs herrscht Spaltengefahr! Bei gutem Wetter, guten Bedingungen und passender Ausrüstung (bzw. bei dementsprechender Erfahrung und Technik) ist die Wildspitze ein relativ friedlicher Berg  -  mit moderaten Schwierigkeiten. In jedem Fall hat die Wildspitze eine Anziehungskraft, wie nur wenige Berge in den Ostalpen. Und auch wenn man am Gipfel selten alleine ist  -  so ist die Aussicht doch atemberaubend und das Ambiente großartig!

Gefahren:  Der Großteil der Schwierigkeiten und Gefahren resultiert aus den Eigenschaften des Taschachferners. Dieser Gletscher ist  -  gerade in seinem mittleren Bereich  -  sehr stark zerklüftet und von vielen Spalten durchzogen. Da der Gletscher weit über 1000 Höhenmeter überwindet, wechseln die Verhältnisse häufig. Der untere Teil ist häufig aper bzw. blank  -  bietet deswegen (theoretisch) aber wieder mehr Sicherheit. In seinem oberen Bereich sind viele Spalten verdeckt und deswegen schwieriger zu erkennen. Man sollte mindestens in einer 3er-Seilschaft unterwegs sein und über entsprechende Fachkenntnis und Erfahrung verfügen. Die Kletterei am Gipfelgrat wird häufig durch vereiste Felsen erschwert und ist bei schlechten Verhältnissen  -  trotz der moderaten Schwierigkeit  -  dann ziemlich heikel. Insgesamt ist der Anstieg von Nordwesten über den gesamten Taschachferner zwar die eindrucksvollste Normalroute auf die Wildspitze, jedoch ist dies auch der Anstieg, der die meiste Umsicht und Erfahrung verlangt.


12. August  -  15. August 2011

Vier-Tages-Tour in die Ötztaler Alpen zum Taschachhaus (2434 m.) - Gletscherausbildung bzw. Spaltenbergung im Bereich des Urkundsattels. Besteigung des höchsten Berges von Nordtirol und der Ötztaler Alpen - der Wildspitze (3768 m.) - Auf - und Abstieg über den Taschachferner.

Organisiert von Michael Kraus und durchgeführt im Rahmen einer „DAV-Sektion Karpaten – Alpingruppe Adonis-Tour“  (10 Teilnehmer)

[Bild: Wildspitze (Nordgipfel 3765 m.)  -  höchster Berg der Ötztaler Alpen, Tirols und zweithöchster Berg Österreichs]

[Bild: Blick aus dem obersten Gletscherbecken des Taschachferners zum überfirnten Nordgipfel (3765 m.) und zum felsigen Südgipfel (3768 m.) der Wildspitze]

1. Tag        Mittelberg  -  Taschachhaus

Die Aussicht von der Wildspitze ist  -  nach Walter Klier  -  angeblich „nur durch die Erdkrümmung begrenzt“. Ob das Panorama tatsächlich bis zum Aletschhorn reicht, hängt allerdings stark vom Wetter ab. Unabhängig davon ist die Wildspitze der dominierende Berg der Ötztaler Alpen. Abgesehen von der Weißkugel kann ihm kein Berg im Umkreis das Wasser reichen. Als höchster Berg Tirols und zweithöchster Berg Österreichs ist die Wildspitze einer der begehrtesten hochalpinen Gipfel der gesamten Ostalpen. Bis auf die Südseite ist die Wildspitze allseits von mächtigen Gletschern umgeben und bietet besonders von Norden gesehen einen imposanten Anblick. Allerdings hat sie in den letzten Jahren Einiges an Unnahbarkeit verloren. Seit dem Bau der Pitztaler Gletscherbahn von Mittelberg her und dem massiven Ausbau des Gletscherskibetriebs auf dem Mittelbergferner, ist die Wildspitze als Tagestour machbar. Sinnvoller ist es jedoch, sich langsam zu akklimatisieren und den Berg innerhalb von 2-3 Tagen zu besteigen. Der ehemals höhere Nordgipfel der Wildspitze (3765 m.) ist in den letzten Jahren stark abgeschmolzen, sodass nun der Südgipfel (3768 m.) der höchste Punkt ist. Die Wildspitze Nordwand ist auch in der heutigen Zeit noch eine klasse Eistour (bis zu 50° Grad Steilheit) und auch wenn man an diesem mächtigen Berg wohl selten alleine ist, so gehört die Wildspitze doch in das Tourenbuch eines jeden ostalpinen Bergsteigers. Klettertechnisch bietet die Wildspitze kaum nennenswerte Routen (dafür ist das Gestein zu brüchig und zu spröde)  -  dafür kommen hier Bergsteiger auf ihre Kosten, die klassische, alpine Hochtouren schätzen. Bergeinsamkeit kann man an diesem Berg ebenfalls vorfinden  -  entweder man besteigt die Wildspitze antizyklisch  -  oder man wählt eine der einsamen  -  jedoch deutlich ernsthafteren  -  Routen auf den Gipfel, beispielsweise den Aufstieg über den Ötztaler Urkund (3556 m.) und den Südostgrat. Wie bei vielen anderen Bergen gilt auch hier: je größer das Können  -  umso mehr Möglichkeiten hat man.

Zwei Jahre nach meiner ersten Hochtour bin ich wieder in Mittelberg. Und ebenso wie damals, ist auch diesmal das Taschachhaus unser Ziel. Diese Alpenvereinshütte wird uns in den nächsten drei Tagen als Ausgangspunkt für verschiedene bergsteigerische Aktivitäten dienen. Die Gletscherausbildung / Spaltenbergung ist zwar das zentrale Thema dieser Hochtour  -  über allem schwebt jedoch die Wildspitze. Bei gutem Wetter wollen wir die Besteigung des höchsten Berges der Ötztaler Alpen angehen. Nachdem wir unsere Ausrüstung kontrolliert haben, machen wir uns vom Parkplatz langsam auf Richtung Taschachhaus. Bei traumhaftem Wetter geht es zunächst über eine Brücke und anschließend auf einem breit ausgetretenen Weg zur nahe gelegenen Taschachalm (1796 m.)

[Bild: Am Beginn des Taschachtales  -  in der Nähe der Taschachalm]

Anschließend geht es auf einem breiten Fahrweg  -  immer entlang des Taschachbaches  -  in Richtung Südwesten. Dies ist der direkteste Weg zum Taschachhaus, wobei jedoch beispielsweise der Fuldaer Höhenweg eine deutlich spannendere Aufstiegsvariante darstellt. Der Weg führt an begrünten und latschendurchsetzten Hängen nur mäßig ansteigend in Richtung der Talstation der Materialseilbahn.

[Bild: Blick zurück auf einen Teil des bisher zurückgelegten Weges  -  im Hintergrund der Puitkogel 3345 m.]

[Bild: Auf dem Weg durch das Taschachtal in Richtung der Station der Materialseilbahn]

Beim Zustieg haben wir stets einen Teil des Taschachferners, die breite Mauer der Hochvernagtwand (3400 m.)  -  den Urkundkopf (2902 m.)  -  sowie die Sexegertenspitzen im Blickfeld. Mit jedem gewonnenen Höhenmeter kommen wir diesen eindrucksvollen Bergen immer näher. Der Weg Richtung Materialseilbahn ist lang und mehr oder weniger eintönig  -  jedoch vollkommen unschwierig und kaum anstrengend. Daher ist er ideal, um langsam wieder in Schwung zu kommen.

[Bild: Blick zur Gletscherzunge des Taschachferners  -  rechts ein Teil der Hochvernagtwand]

Als wir schließlich die Talstation der Materialseilbahn (2042 m.)erreichen, haben wir zwar bereits weit über die Hälfte der direkten Distanz zur Hütte hinter uns  -  aber nur etwa ein Drittel der Höhenmeter. Der bisherige Weg führte nur mäßig ansteigend an den begrünten Schrofenhängen des Taschachtals bergauf. Der weitere Steig zur Hütte ist dagegen eine Spur steiler und anstrengender.

[Bild: Blick von der Materialseilbahn auf den oberen Talschluss des Taschachtales  -  der Aufstieg zur Hütte führt rechts an den begrünten Schrofenhängen in Richtung der Gletschermoräne]

Bevor wir jedoch weitergehen, machen wir eine kurze Pause. Theoretisch kann man seinen Rucksack mit der Materialseilbahn hochschicken lassen und sich so ein wenig Kraft sparen. Für mich kommt so etwas nicht in Frage, für die Anderen höchstens am letzten Tag  -  beim Abstieg nach Mittelberg. Nach der Pause machen wir uns auf Richtung Taschachhaus. Hinter der Materialseilbahn überqueren wir mit Hilfe einer Brücke zunächst den Taschachbach. Anschließend geht es auf der anderen Seite in Serpentinen auf einem Steig über begrünte Hänge bergauf Richtung Westen.

[Bild: Der Aufstieg zum Taschachhaus führt durch eine beeindruckende Urgesteinslandschaft]

Oberhalb wenden wir uns nach Süden und folgen dem Weg über  -  von großen Gesteinsblöcken durchsetzte  -  Wiesen und begrünte Schrofenhänge weiter in Richtung des alten Moränenrückens des Taschachferners.

[Bild: Der Weg führt uns an begrünten Steilflanken in Richtung der alten Gletschermoräne  -  im mittigen Hintergrund der Urkundkopf 2902 m. und der Pitztaler Urkund 3201 m.]

Am Beginn der Moräne angekommen, überqueren wir zunächst den Sexegertenbach. Anschließend geht es auf einem angelegten und gut markierten Steig den Moränenrücken empor.

[Bild: Blick zurück ins Taschachtal]

Es ist beeindruckend (und traurig zugleich)  -  sich vorzustellen, dass vor 100 Jahren der Gletscher noch bis zu diesen mächtigen Schotterflanken reichte. Nach einiger Zeit führt der Weg von der Gletschermoräne des Taschachferners in Richtung des begrünten Rückens, welcher vom Taschachhaus nach Nordosten zieht.

[Bild: Aufstieg über die begrünte Flanke unterhalb des Taschachhauses  -  im Hintergrund der Urkundkopf 2902 m.]

In einigen Kehren steigen wir über die grasige Flanke bergauf und erreichen kurze Zeit später schließlich die Hütte.

[Bild: Auf den letzten Metern zum Taschachhaus  -  im Hintergrund die Nördliche Sexegertenspitze 3350 m.]

Das Taschachhaus (2434 m.) ist eine Alpenvereinshütte und ist im Besitz der Sektion München des DAV. Die Hütte wurde bereits 1873/74 erbaut und war damit die dritte errichtete Schutzhütte des DAV. 1898/99 wurde die Hütte von der Sektion Frankfurt neu gebaut. In den Jahren 1969 und 1979/80 wurde das Taschachhaus renoviert, modernisiert und erweitert  -  sowie von 2005 bis 2008 auf aufwendige Weise generalsaniert. Das Winterhaus wurde 1999 errichtet und ist zu jeder Jahreszeit frei zugänglich.

[Bild: Taschachhaus 2434 m.  -  links der Winterraum  -  im Hintergrund Urkundkopf 2902 m. und Pitztaler Urkund 3201 m.]

Zu Beginn des Jahres 2010 ging die Hütte in den Besitz der Sektion München über. Seit einigen Jahren ist das Taschachhaus eine zentrale Ausbildungsstätte des DAV und dementsprechend stark frequentiert. Bewirtschaftet wird die Hütte in der Regel von Mitte Juni bis Ende September  -  verfügen tut sie über 38 Betten, 87 Lagerplätze sowie 28 Lager im Winterraum  -  welcher auch im Sommer genutzt wird. Erreicht werden kann das Taschachhaus über viele verschiedene Wege. Der überwiegende Teil steigt  -  wie wir  -  von Mittelberg herauf. Eine spannendere und landschaftlich interessantere Aufstiegsvariante ist der Fuldaer Höhenweg vom Riffelsee her. Ebenfalls grandios ist der Weg vom Gepatschspeicher Stausee her über das Ölgrubenjoch (3095 m.)  -  Erreicht werden kann das Taschachhaus aber natürlich auch von anderen Schutzhütten  -  diese Übergänge von der Breslauer -, Vernagt- oder Braunschweiger Hütte führen aber in der Regel über ernsthafte Gletscher und sind keine Hüttenzustiege im klassischen Sinne. Auch wenn der für die Hütte enorm wichtige Taschachferner immer mehr zurückgeht, so ist das Taschachhaus doch DER Stützpunkt für Eis – und Hochtouren im Umkreis. Die Wildspitze (3768 m.) ist  -  vor allem aufgrund der gewaltigen Höhe, sowie aufgrund des Prestiges  -  das beliebteste Hochtourenziel im Umkreis. Aber auch die Bliggspitze (3454 m.)  -  die Hintere Ölgrubenspitze (3296 m.) oder der Pitztaler Urkund (3201 m.) sind lohnende Gipfelziele. Versierte Alpinisten  /  (Eis-)Kletterer finden beispielsweise in der Taschachwand (3365 m.) ihr Glück. Das Taschachhaus ist eine der größten, modernsten und bedeutendsten Schutzhütten der Ötztaler Alpen und ist  -  neben dem vielfältigen Tourenangebot  -  vor allem aufgrund des hervorragenden Essens bekannt und beliebt.

[Bild: Blick nach Nordosten auf den Geigenkamm  -  in der Mitte die Hohe 3393 m.  -  rechts daneben der Puitkogel 3345 m.]

[Bild: Blick in Richtung Taschachferner  -  links die Taschachwand 3365 m.  -  in der Mitte die Petersenspitze 3484 m.]

Wir organisieren uns unsere Lagerplätze (im abgetrennten und deutlich ruhigeren Winterraum) und verbringen den restlichen Tag damit, die nächsten Tage zu planen und zu besprechen. Nach dem Abendessen steht der Plan für den zweiten Tag: Im Bereich des Urkundsattel (3060 m.)  -  südlich des Pitztaler Urkund  -  wollen wir die Spaltenbergung trainieren. Nachdem wir noch einmal die Knotentechniken aufgefrischt bzw. geübt haben, gehen wir relativ früh schlafen. Wie immer wenn ich auf Hochtour bin, verspüre ich ein nervös-euphorisches Kribbeln  -  ich bin gespannt, was der morgige Tage bringen wird.

[Bild: Am Abend üben wir noch einmal einige Knotentechniken]

2. Tag        Taschachhaus  -  Taschachferner  -  Urkundsattel  -  Sexegertenferner  -  Taschachhaus

Am nächsten Morgen gehören wir nicht zu den Ersten, die die Hütte verlassen. Wer sich die Wildspitze vorgenommen hat, bricht in der Regel bereits auf, wenn es noch dunkel ist. Da unser Ziel heute jedoch „nur“ der Urkundsattel ist, haben wir keinen großen Zeitdruck.

[Bild: Hohe Geige 3393 m. und Puitkogel 3345 m. am Morgen]

[Bild: Blick zum Taschachferner  -  darüber ragen Taschachwand 3365 m. und Petersenspitze 3484 m. in den  -  von fantastischen Wolkenspielen gezeichneten  -  Himmel]

Bei mittelprächtigem Wetter machen wir uns schließlich gegen 7 Uhr auf in Richtung Urkundsattel. Vom Taschachhaus steigen wir auf einem Steig die begrünte Felsflanke hinter der Hütte bergauf. Teilweise verdecken nebelartige Wolken die Sicht.

Bild: Über die begrünte Felsflanke oberhalb der Hütte geht es in Richtung Taschachferner]

Oberhalb der Felsflanke wendet sich der Steig nach Südosten. An den Nordostausläufern des Urkundkopfs geht es auf einem teilweise schmalen Pfad entlang in Richtung Taschachferner.

[Bild: Trittsicherheit und Schwindelfreiheit sind an einigen Stellen des Weges unbedingt erforderlich]

Das Wetter ist unterdessen ziemlich wechselhaft  -  Nebel, Wolken und blauer Himmel wechseln sich immer wieder ab, grundsätzlich war die Wettervorhersage für den heutigen Tag aber relativ gut. Auf dem schmalen Pfad geht es ein gutes Stück in Richtung Südosten. Trittsicherheit und Schwindelfreiheit sind auf diesem Weg bereits unbedingt erforderlich  -  ein Absturz nach Osten in die begrünten Geröllhänge oberhalb der Gletschermoränen des Taschachferners wäre lebensgefährlich.

[Bild: Blick zurück zum bisherigen Aufstiegsweg  -  rechts die Gletschermoräne des Taschachferners]

Schließlich erreichen wir eine Wegabzweigung. Für uns geht es nach Süden und so steigen wir über eine von großen Felsblöcken und Geröll durchsetzte Flanke bergauf.

[Bild: Aufstieg über eine blockreiche, geröllige Flanke]

[Bild: Taschachferner  -  rechts am Bildrand ist eine Seilschaft zu erkennen]

Oberhalb haben wir einen tollen Ausblick auf einen kleinen Gletschersee, der von dem vom Urkundsattel herabziehenden Seitenarm des Taschachferners gespeist wird. Oben auf der felsigen und gerölligen Flanke angekommen, leitet uns der markierte Pfad im dichten Nebel an den mächtigen Südostausläufern des Urkundkopfs schließlich in Richtung Südwesten.

[Bild: Aufstieg über Blockwerk und Geröll]

[Bild: Der Weg unterhalb der mächtigen Wandfluchten des Urkundkopfs ist  -  unter Umständen  -  steinschlaggefährdet]

[Bild: Über Felsblöcke und Geröll leitet der Pfad immer weiter aufwärts]

Über Blockwerk, Geröll und Schotter steigen wir westlich des Gletschers bergauf, bis wir einen markanten und frei stehenden großen Felsblock erreichen. Zeitgleich lichtet sich der Nebel und wir haben mit einem Mal Einblick in die vom Urkundsattel herabziehende Gletscherflanke.

[Bild: Der Weg zum Urkundsattel führt am rechten Rand der steilen Gletscherflanke aufwärts]

[Bild: Blick Richtung Taschachferner  -  unten der Gletschersee  -  im Hintergrund das Mittelbergjoch 3166 m. und links daneben (mit einem Schneefeld unter dem Gipfel) der Hintere Brunnenkogel 3440 m.]

Nach einer kleinen Pause gehen wir weiter. Über Felsblöcke und Geröll erreichen wir schließlich die steile Gletscherflanke.

[Bild: Über Blockwerk und Geröll geht es zum Beginn der Gletscherflanke  -  links der Punkt 3370 m.  -  mein vor zwei Jahren bestiegener erster Hochtourengipfel]

[Bild: Blick zurück zum über weite Gerölllandschaften führenden Aufstiegsweg  -  im Hintergrund der Urkundkopf 2902 m.]

Beim Blick zurück erkenne ich das Mittelbergjoch (3166 m.)  sowie den darüber aufragenden Hinteren Brunnenkogel (3440 m.)  -  höchstes Seilbahnziel des Gletscherskigebiets auf dem Mittelbergferner. Nachdem wir die Steigeisen angelegt haben, steigen wir die 40-45° Grad steile Gletscherflanke im Zick-zack bergauf. Je nach Verhältnissen ist es hier  -  besonders im Abstieg  -  durchaus sinnvoll zu sichern.

[Bild: Aufstieg über die steile Gletscherflanke]

Zwischen den Eisbrüchen des Gletschers und den angrenzenden Randfelsen des Pitztaler Urkunds geht es steil bergauf. Oberhalb dieser ersten Flanke wird das Gelände etwa flacher.

[Bild: Das Gletscherbecken oberhalb der ersten Flanke]

In dem Becken oberhalb der steilen Flanke halten wir uns rechts (westlich) und steigen im nun weniger steilen  -  jedoch harten  -  Firn in Richtung Urkundsattel. Infolge wachsender Steinschlaggefahr aus den Flanken und Wänden des Pitztaler Urkunds ist es manchmal sinnvoller und sicherer, weiter links (östlich) auszuholen.

[Bild: Séracs  -  darüber das Taschachjoch 3241 m.]

Rechts der Gletscherbrüche geht es in vielen Kehren über etwa 30° Grad steile Flanken bergauf.

[Bild: Aufstieg Richtung Urkundsattel  -  rechts die Ausläufer des Pitztaler Urkund]

Teilweise ist der Schnee beinhart gefroren und kurze (aber unschwierige) Passagen mit Blankeis müssen bewältigt werden, insgesamt verläuft der Anstieg zum Urkundsattel aber problemlos.

[Bild: Blick zum Punkt 3370 m. und zum Punkt 3319 m.  -  über den Séracs das Taschachjoch]

Knapp unterhalb des Sattels müssen wir schließlich die ersten kleineren Spalten überqueren  -  auch wenn die Anzahl der Gletscherspalten gering ist, so sollte der Aufstieg zum Urkundsattel bzw. die Umrundung des Pitztaler Urkunds nur mit Hochtourenausrüstung durchgeführt werden.

Im Urkundsattel (3060 m.) angekommen, machen wir eine ausgiebige Pause. Mittlerweile hat sich auch das Wetter stabilisiert  -  blauer Himmel und strahlender Sonnenschein begleiten uns schon seit etwa einer Stunde. Ich erinnere mich, wie ich schon zwei Jahre zuvor hier gewesen bin und freue mich, dass ich diesmal diesen versteckten Seitenarm des Taschachferners bei schönem Wetter genießen kann. Und auch wenn wir uns nicht auf einem Gipfel befinden, so ist die Aussicht dennoch großartig. Im Nordosten erkenne ich über dem Taschachferner die Berge um den Hinteren Brunnenkogel. Östlich ragen die unbenannten Gipfel Punkt 3370 m. und Punkt 3319 m. in den Himmel. An das anschließende Taschachjoch (3241 m.) schließt die breite Mauer der Hochvernagtwand (3400 m.) im Süden an, welche mehrere Gipfel aufweist.

[Bild: Punkt 3372 m. und Punkt 3371 m. der Hochvernagtwand  -  deren Hauptgipfel (3400 m.) weiter westlich liegt und auf diesem Bild nicht sichtabr ist]

Im Südwesten erkenne ich die einsamen Sexegertenspitzen.

[Bild: Südliche 3429 m. und Nördliche 3350 m. Sexegertenspitze]

Im Westen zeigt sich das südliche Ende des markanten Kaunergrates um die Vordere Ölgrubenspitze (3456 m.)  -  Im Norden wird der Sattel schließlich vom abweisenden Pitztaler Urkund (3201 m.) überragt. Nach einer ausgiebigen Pause beginnen wir mit dem Üben der Spaltenbergung.

[Bild: Bei traumhaftem Wetter üben wir Spaltenbergung im Bereich des Urkundsattels]

Der Sinn dahinter ist nicht der, dass wir nachher alle Spaltenbergungsvarianten, Knotentechniken und Verhaltensweisen perfekt beherrschen, sondern dass wir grundlegende Dinge verinnerlichen und sicher beherrschen. Für mich persönlich weiß ich ganz genau: Nur Übung (und Erfahrung) macht den Meister. Es wird sicherlich noch einige Zeit dauern, bis ich alle Techniken sicher bzw. blind beherrsche, aber ich gebe mir viel Mühe und werde nicht aufhören, mich zu verbessern.

Bild: Punkt 3370 m. und Punkt 3319 m.]

[Bild: Vordere Ölgrubenspitze 3456 m.]

[Bild: Das weite Gletscherbecken unterhalb des Taschachjochs ist relativ spaltenarm]

[Bild: Pitztaler Urkund 3201 m.  -  im Hintergrund die Bliggspitze 3454 m.]

Am frühen Nachmittag machen wir uns schließlich an den Abstieg zurück zum Taschachhaus. Genau wie vor zwei Jahren wollen wir über den Sexegertenferner absteigen und den Pitztaler Urkund umrunden. Vom Urkundsattel steigen wir über Firn Richtung Westen und wechseln vom Taschachferner auf den Sexegertenferner. Anschließend geht es südlich des Pitztaler Urkund am nördlichen Rand des Gletschers immer Richtung Westen, die mächtige Vordere Ölgrubenspitze stets im Blickfeld.

[Bild: Abstieg über den Sexegertenferner  -  im Hintergrund der einsame, brüchige Gipfel der Vorderen Ölgrubenspitze 3456 m.}

[Bild: Blick zur Südlichen 3429 m. und zur Nördlichen Sexegertenspitze 3350 m.  -  ganz links der großartige Gipfel der Hochvernagtspitze 3539 m.]

[Bild: Blick zurück zum Hauptgipfel der Hochvernagtwand 3400 m.]

Der in seinem unteren Bereich vollkommen apere und von Blockwerk und Schutt durchsetzte Sexegertenferner weist einige Querspalten auf, ist jedoch  -  in diesem Teil  -  relativ harmlos. Der Abstieg über seine unterste Steilstufe hin zu den weiten Geröll – und Schuttlandschaften nordwestlich des Pitztaler Urkunds ist jedoch nicht eindeutig. Aufgrund der Ausaperung und des Gletscherrückgangs erfolgt der Abstieg nicht zwangsläufig über die auf der AV-Karte eingezeichnete Spur am nördlichen Ende des Gletschers. Hier ist eine gute Geländebeurteilung notwendig. Es ist durchaus möglich, sich hier unglücklich zu versteigen  -  riskant und gefährlich wird die Sache aber nur, wenn Nebel aufzieht.

[Bild: Der Abstieg über den Sexegertenferner gestaltet sich in seinem unteren Teil etwas kompliziert]

Wir finden einen Weg durch den mittleren Teil der steilen Gletscherflanke und steigen über eine Mischung aus hartem Firn, Eis, Schutt und Geröll bergab.

[Bild: Blick zurück zur steil abfallenden Gletscherflanke im unteren Teil des Sexegertenferners]

[Bild: Pitztaler Urkund 3201 m.]

In der Talsohle angekommen, folgen wir nun einem  -  durch Begehungsspuren klar vorgegebenen  -  Pfad in nordöstliche Richtung.

[Bild: Blick zurück Richtung Sexegertenferner  -  links im Hintergrund die Hochvernagtspitze 3539 m.]

Etwa parallel zum Sexegertenbach und zum Weg 924 (vom Ölgrubenjoch kommend) folgen wir dem Pfad Richtung Taschachhaus. In einer beeindruckenden Felslandschaft wandern wir entspannt zurück zur Hütte und genießen bei jedem Schritt die fantastische Aussicht. Der über Blockwerk, Schutt und Geröllfelder führende Weg ist vollkommen unschwierig und wir nutzen den restlichen Weg zurück zur Hütte, um uns zu unterhalten und über den heutigen Tag auszutauschen.

[Bild: Abstieg zum Taschachhaus  -  in der Ferne der Geigenkamm]

Schließlich mündet der Pfad auf den vom Ölgrubenjoch herunterkommenden Weg und führt aus der von Felsblöcken und Geröll erfüllten Talsohle in die begrünten Flanken nördlich des Urkundkopfs.

[Bild: Blick zurück zur Nördlichen Sexegertenspitze 3350 m. und zur Hinteren Ölgrubenspitze 3296 m.]

Auf einem breiten Weg geht es die letzten Meter zurück zur Hütte.

Den restlichen Tag verbringen wir damit, uns zu erholen und den morgigen Tag zu planen. Die Besteigung der Wildspitze vom Taschachhaus her ist eine lange und anspruchsvolle Hochtour, während der wir uns praktisch permanent auf einem spaltenreichen und zerrissenen Gletscher befinden werden. Der Aufstieg über den gesamten Taschachferner hinauf zum höchsten Gipfel im Umkreis von fast 50 Kilometern wird unsere ganze Aufmerksamkeit und Konzentration erfordern.

[Bild: Der Taschachferner wird überragt von der Taschachwand 3365 m.  -  rechts der Mitte der Firngipfel der Petersenspitze 3484 m.]

Nach einem sehr guten Abendessen gehen wir, anders als noch am Tag zuvor, früh schlafen. Am nächsten Tag müssen wir deutlich früher raus. Wenn die Wettervorhersage für den nächsten Tag stimmt, haben wir eine grandiose Hochtour vor uns  -  da sich das Wetter am Nachmittag jedoch verschlechtern soll, schlafe ich mit einem etwas mulmigen Gefühl ein. Ich bin gespannt, was der morgige Tag bringen wird.

3. Tag        Taschachhaus  -  Taschachferner  -  Wildspitze  -  Taschachferner  -  Taschachhaus

Am nächsten Morgen machen wir uns wie alle anderen Gruppen früh auf in Richtung Taschachferner. In absoluter Dunkelheit geht es im Schein der Stirnlampen  -  wie am Tag zuvor  -  den Steig über die begrünte Felsflanke hinter dem Taschachhaus bergauf.

[Bild: Auf dem Weg zum Taschachferner  -  links hinten erkennt man das Licht der Stirnlampen einer Seilschaft auf dem Gletscher]

Im Gegensatz zu gestern ist heute keine Wolke am Himmel zu sehen. Einem perfekten Tourentag steht nichts im Weg.

[Bild: Langsam wird es im Osten heller]

Nach der Flanke folgen wir dem schmalen Pfad an den Nordostausläufern des Urkundkopfs erneut Richtung Südosten. Bei Dunkelheit hat dieser Steig  -  hoch über schroffen Grasflanken und der Gletschermoräne des Taschachferners  -  noch einmal etwas ganz Besonderes. Zu sehen, wie viele Meter vor einem selbst die Stirnlampen anderer Bergsteiger durch die Dunkelheit wandern, ist stets aufs Neue faszinierend. Und alle habe sie das gleiche Ziel: Alle zieht es zum Taschachferner und zur Wildspitze. Schließlich erreichen wir die Wegabzweigung, an der wir am Tag zuvor noch zum Urkundsattel aufgestiegen waren. Diesmal wenden wir uns jedoch nach Südosten und folgen dem Steig über  -  teils steiles  -  Blockwerk, Geröll und einige Schneefelder in Richtung Taschachferner. An einigen Stellen weisen Steinmänner den Weg, es ist jedoch ziemlich eindeutig, an welcher Stelle man den Taschachferner betritt. Dies ist insofern wichtig, weil man den Gletscher nicht zu früh (zu weit nördlich) betreten sollte, weil sich infolge des Abschmelzens des Eises in Bereich der Gletscherzunge Höhlen und Ausbuchtungen bilden können, welche für Bergsteiger lebensgefährlich sind, da sie einstürzen können. Über vom Gletscher glatt geschliffene Steinplatten betreten wir schließlich den unteren Teil des Taschachferners.

[Bild: Am Beginn des Taschferners seilen wir uns an und machen uns bereits für den Gang über den zerrissenen Gletscher]

Mittlerweile ist es hell geworden und wir haben eine fantastische Aussicht auf die Bliggspitze (3454 m.)  -  welche von der Sonne rot beleuchtet wird.

[Bild: Bliggspitze 3454 m.]

Während wir uns mit Steigeisen ausrüsten und uns anseilen, reift in mir der Wunsch, dem wilden Kaunergrat relativ bald einen Besuch abzustatten. Doch diese Überlegungen verfliegen sofort, als wir schließlich beginnen, über den Gletscher in westliche Richtung bergauf zu steigen. Pläne für zukünftige Touren können wir heute Abend schmieden. Zwar weisen sowohl AV-Karte, als auch verschiedene Tourenbeschreibungen darauf hin, den Taschachferner unmittelbar zu Beginn in westliche Richtung zu queren, vom Gletscher auf die Moräne zu wechseln und anschließend im Schuttgelände unterhalb des Brunnenkarkopfs (3250 m.) in westliche Richtung bis unterhalb des Mittelbergjochs (3166 m.) aufzusteigen, wobei man den Gletscher  -  bis zum Punkt unterhalb des Jochs  -  nur an seinem nördlichsten Rand betreten würde. Da in unserem Fall der Taschachferner jedoch vollkommen aper ist und man in seinem unteren Teil jede Spalte sieht, bleiben wir auf dem Gletscher und steigen mittig auf direktem Weg bergauf.

Bild: Aufstieg über den Taschachferner]

[Bild: Da der Gletscher aper ist, sind die zahlreichen Spalten kein Problem]

[Bild: Blick zum Urkundsattel 3060 m. und zum Pitztaler Urkund 3201 m.  -  dahinter die Sexegertenspitzen]

[Bild: Taschachwand 3365 m.]

[Bild: Kaunergrat  -  Blick zur Vorderen Ölgrubenspitze 3456 m.  -  zur Bliggspitze 3454 m. und zur Eiskastenspitze 3373 m.]

Da der Gletscher vollkommen aper bzw. blank (jedoch nur mäßig steil) ist, ist die Spaltengefahr sehr gering und wir steigen konsequent und ohne große Schwierigkeiten in Richtung des gewaltigen Gletscherbruches  -  östlich der Taschachwand. Darüber erkenne ich mit einem Mal und völlig überraschend den bis dato verborgenen Nordgipfel (3765 m.) der Wildspitze. Unser Ziel  -  der südliche Hauptgipfel (3768 m.)  -  ist hingegen noch nicht sichtbar.

[Bild: Über den gewaltigen Gletscherbrüchen des Taschachferners ragt der eisige Nordgipfel der Wildspitze in den Himmel]

Mit großem Abstand umrunden wir den mächtigen und sehr eindrucksvollen Gletscherbruch und steigen in Richtung der ebenen Firnmulde unterhalb des Mittelbergjochs. Zwischen dem  Joch und den mittleren Eisbrüchen des Gletschers müssen wir schließlich eine äußerst tückische Spaltenzone überwinden. Da der Gletscher mittlerweile nicht mehr aper, sondern mit Schnee bedeckt ist, sind die Spalten nicht mehr erkennbar. Über ein paar heikle Querspalten geht es mit viel Vorsicht und Konzentration hinüber  -  dies ist eine der unangenehmsten und gefährlichsten Stellen des Aufstiegs. Alpine Erfahrung und eine gute Geländebeurteilung sind unbedingt notwendig  -  auch (oder gerade deswegen) weil die Gefahr in diesem Bereich praktisch kaum erkennbar ist.

[Bild: Der Weg durch die Spaltenzone führt in das ebene Gletscherbecken südlich des Mittelbergjochs]

In dem flachen und praktisch spaltenfreien Becken unterhalb der Hohen Wände (3432 m.) und des Mittelbergjochs (3166 m.) angekommen, machen wir eine Pause und genießen die fantastische Aussicht auf die Wildspitze, die als eisiger Firndom über mächtigen Gletscherbrüchen imposant in den Himmel ragt. Westlich der Wildspitze erkenne ich  -  über den mittleren Gletscherbrüchen des Taschachferners  -  den Hinteren Brochkogel (3635 m.)  -  einen der höchsten Berge Österreichs.

[Bild: Wildspitze Nordgipfel 3765 m.]

[Bild: Überen den mittleren Gletscherbrüchen des Taschachferners ragen links der Hintere Brochkogel 3635 m. und rechts die Taschwand (3365 m.) in den Himmel  -  zwischen beiden erkennt man gerade noch den Firngipfel der Petersenspitze 3484 m.]

[Bild: Die Wildspitze ragt über Gletscherbrüchen und Séracs als mächtiger Firndom  -  über den Weiten des Taschachferners in den Himmel]

Von der flachen Gletschermulde steigen wir schließlich in Richtung der von der Wildspitze nach Norden abfallenden Séracs. Plötzlich halten wir an  -  einem der Tourenteilnehmer ist nicht wohl, er hat starke Kopfschmerzen. Nach einem Gespräch mit unserem Tourenleiter geht er, da er ein sehr erfahrenen Bergsteiger ist (neben dem Dom (4545 m.) hat er auch das Matterhorn (4478 m.) in seinem Tourenbuch)  -  den bisher zurückgelegten Weg zurück zur Hütte. Aufgrund der aperen Verhältnisse im unteren Teil des Gletschers ist dies zwar durchaus in Ordnung, eigentlich jedoch nicht korrekt. Würde er in eine Spalte fallen, könnte ihn niemand retten. Es bleibt eine diskutierwürdige Entscheidung. Nach dieser unfreiwilligen Pause geht es schließlich weiter.

[Bild: Blick zurück zum Mittelbergjoch 3166 m. und zum Hinteren Brunnenkogel 3440 m.]

Zwischen den Gletscherbrüchen im mittleren Bereich des Taschachferners und den Séracs folgen wir einer klaren Spur durch flaches, spaltenarmes Gelände nach Südwesten. In einer arktisch anmutenden, weiten Gletscherlandschaft geht es  -  oberhalb des zerrissenen Gletscherbruchs  -  unterhalb steiler, von Séracs durchsetzter Steilflanken, über mäßig steile Firnhänge in einem Bogen schließlich in westliche Richtung.

[Bild: Unter mächtigen Séracs geht es auf dem Taschachferner über mäßig steile Firnflanken in Richtung Westen]

[Bild: Auf den weiten Gletscherflächen des Taschachferners]

Über einen steilen Firnhang und eine anschließende Steilstufe erreichen wir schließlich das oberste Gletscherbecken des Taschachferners.

[Bild: Blick zurück zum  -  über weite Gletscherflächen führenden  -  Aufstiegsweg]

[Bild: Aufstieg über einen langgezogenen Firnhang  -  die Spaltengefahr ist (schon seit dem Bereich unterhalb des Mittelbergjochs) sehr gering]

Wir umgehen rechts (westlich) eine Spaltenzone und steigen in Richtung des Nordgrats des Hinteren Brochkogels.

[Bild: Hinterer Brochkogel 3635 m.  -  sechshöchster Berg Österreichs]

Vor diesem wenden wir uns jedoch nach Osten und steigen über flachen Firn in die Mitte des weiten Gletscherplateaus, nördlich des Mitterkarjochs (3468 m.)  -  Dort machen wir erneut eine kurze Pause und genießen die eindrucksvolle Sicht auf die Wildspitze. Etwa 300 Höhenmeter fehlen uns nun noch bis zum höchsten Punkt, welcher nun erstmals sichtbar ist. Fern im Nordwesten erkenne ich die Watzespitze, sowie die Rofelewand  -  wahrscheinlich die eindrucksvollsten Berge des Kaunergrates.

[Bild: Blick vom Gletscherbecken nordöstlich des Hinteren Brochkogels Richtung Wildspitze]

Nach der Pause queren wir das Gletscherbecken in östliche Richtung und halten direkt auf die vom Mitterkarjoch nach Nordosten führende Spur zu. Waren wir bisher praktisch alleine auf dem Taschachferner unterwegs (ich erfuhr später, dass die Seilbahnen zum Hinteren Brunnenkogel, sowie zum Mittelbergjoch an diesem Tag aufgrund von Reparaturen außer Betrieb waren)  -  so treffen wir nun auf viele andere Seilschaften, welche von der Breslauer Hütte heraufgekommen sind. Unterhalb einer mächtigen Steilflanke folgen wir der Spur über einen  -  von einigen Querspalten durchsetzten  -  Hang in östliche Richtung.

[Bild: Unter einer mächtigen und äußerst steilen Firnflanke folgen wir der Spur  in Richtung Osten]

Oberhalb der Gletscherflanke leitet die Spur in flacheres Gelände. Nun haben wir die beiden Hauptgipfel der Wildspitze direkt vor uns. Während sich der Südgipfel kaum vor Bergsteigern retten kann, sind der Verbindungsgrat, sowie der Nordgipfel praktisch alleine  -  nur wenige Seilschaften wagen die Überschreitung. Während wir uns in dieser oberen Firnmulde aufhalten, ziehen teilweise Wolken auf und verdecken immer wieder den Gipfel  -  ich bete, dass dies nicht bereits der angekündigte Wetterumschwung ist.

[Bild: Aufstieg zum Sattel südwestlich des Wildspitze Südgipfels]

Aus dieser obersten Gletschermulde steigen wir in einem Bogen in den Sattel zwischen dem Südwestgrat der Wildspitze und dem Punkt 3686 m. Mit einem Schlag haben wir eine gigantische Aussicht auf die südlichen Ötztaler Alpen, doch wir machen uns direkt auf in Richtung Gipfel. Wir folgen der Spur aus dem Sattel an den Beginn der Felsen.

[Bild: Aufstieg über den Südwestgrat der Wildspitze Richtung Gipfel]

Über Blockwerk, Geröll und Schutt steigen wir zügig bergauf. Teilweise ist der Weg rutschig und an einigen Stellen sind die Felsen ziemlich glatt und abschüssig  -  bei Blankeis ist dieser letzte Aufstieg über den Grat ziemlich heikel. Früher hatte man solche Probleme im Sommer nicht  -  noch vor einigen Jahren konnte man den Südgipfel über einen eleganten  -  wenn auch steilen  -  Firngrat erreichen. Direkt unter dem Gipfel muss eine etwas ausgesetzte Kletterstelle (Schwierigkeitsgrad I+) überwunden werden. Nach einer letzten Steilstufe erreichen wir schließlich den Südgipfel der Ötztaler Wildspitze (3768 m.)  -  wir haben es geschafft.

[Bild: Auf dem Gipfel der Wildspitze 3768 m.]

Die Aussicht von der Wildspitze ist oft gerühmt worden  -  zu Recht! Hatte ich unterhalb des Gipfels noch die Sorge, dass wir aufgrund eines Wetterumschwungs am höchsten Punkt nicht viel sehen würden, bin ich umso glücklicher, als wir letztendlich doch eine gigantische Aussicht haben. Dass die Aussicht von der Wildspitze „nur durch die Erdkrümmung begrenzt“ ist, kann ich aufgrund der Wolken im Süden und im Westen nicht sagen, es ist mir aber auch ziemlich egal. Man hat von der Wildspitze in jedem Fall eine grandiose und weitreichende Aussicht. Man erkennt nicht nur den Großteil der Gipfel der Ötztaler Alpen, auch weite Teile der Nördlichen Kalkalpen und sogar die Königsspitze und der Ortler sind erkennbar. Besonders eindrucksvoll zeigen sich neben der Weißseespitze (3518 m.) auch die Weißkugel (3739 m.) und die die Wildspitze umgebenden weiten Gletscherlandschaften.

[Bild: Der wilde Gipfel der Weißkugel 3739 m.  -  zweithöchster Berg der Ötztaler Alpen und der Dritthöchste Österreichs]

[Bild: Die erhabene Weißseespitze 3518 m.  -  Abschlussgipfel des Kaunertales  -  wird umgeben vom gewaltigen Gepatschferner  -  im Vordergrund der Große Vernagtferner]

[Bild: Blick vom Wildspitze Südgipfel auf die Weiten des oberen Taschachferners  -  links der Hintere Brochkogel 3635 m.  -  im Hintergrund der schroffe Kaunergrat  -  rechts hinter der Bliggspitze in der Ferne der Hohe Riffler 3168 m. im Verwall]

[Bild: Der Verbindunsgrat zum Wildspitze Nordgipfel  -  beim Übergang muss man auf Wechten aufpassen]

[Bild: Blick zum zentralen Grenzkamm der Ötztaler Alpen  -  etwas rechts der Bildmitte der Similaun 3599 m.  -  links daneben die Marzellspitzen und anschließend die Hintere Schwärze 3624 m.  -  vor dem Similaun erkennt man die Kreuzspitze 3455 m.]

Wer eine umfassende Benennung aller vom Gipfel sichtbaren Berge haben möchte, der kann auf der folgenden Seite nachschauen: http://www.peakfinder.org/

Der höchste Berg der Ötztaler Alpen und Tirols  -  bzw. der zweithöchste Berg Österreichs  -  bietet eine wahrlich atemberaubende Aussicht und ist ein grandioser, allseits dominierender und mächtiger Berg. Wir bleiben nur kurz am Gipfel, da viele weitere Seilschaften in Richtung Gipfel streben  -  und so steigen wir nach 10 Minuten bereits vom Gipfel ab.

[Bild: Abstieg über den Südwestgrat]

Über den felsigen Südwestgrat geht es zügig bergab in den Sattel. Vor dem endgültigen Abstieg machen wir dort jedoch eine richtige und ausgiebige Pause und genießen die fantastische Aussicht ohne das Gedränge am Gipfel. Einige Teilnehmer unsere Gruppe hatten schon in der Vergangenheit (teilweise mehrfach) versucht, die Wildspitze zu besteigen. Doch stets hatte das Wetter ihre Pläne durchkreuzt. Dass ich diesen gewaltigen Berg im ersten Anlauf bei traumhaftem Wetter besteigen konnte, kann man wohl als Glücksfall bezeichnen.

[Bild: Wildspitze 3768 m.  -  rechts die brüchige Südwand]

[Bild: Blick zum Vorderen Brochkogel 3565 m.  -  links im Hintergrund die Fineilspitze 3514 m.]

Doch wie sagte schon einst Hans Kammerlander: „Ein Gipfel gehört dir erst, wenn du wieder unten bist  -  denn vorher gehörst du ihm.“ Auch für uns gilt diese Weisheit und so machen wir uns schließlich nach einer langen Neben-Gipfelrast an den Abstieg. Die meisten Seilschaften sind bereits abgestiegen  -  der überwiegende Teil zur nahen Breslauer Hütte. Wir jedoch müssen den ganzen weiten Weg über den Taschachferner auch wieder zurückgehen. Über die flache Firnmulde westlich des Gipfels und die anschließende steile Gletscherflanke geht es zügig bergab in das weite Gletscherplateau nördlich des Mitterkarjochs.

[Bild: Abstieg ins obere Gletscherbecken  -  östlich des Hinteren Brochkogels 3635 m.]

[Bild: Blick zurück zur Wildspitze  -  rechts das Mitterkarjoch 3468 m.]

Während wir im Bogen eine Spaltenzone umgehen, beginnt es in den Wänden des Hinteren Brochkogels plötzlich zu donnern. Die durch das Auftauen des Permafrostes gezeichnete  -  äußerst brüchige und steinschlaggefährdete  -  Ostwand beginnt plötzlich im Sekundentakt Felsblöcke auf den Gletscher zu schleudern. Die Zeichen des Klimawandels werden auch oberhalb der 3400 Metermarke deutlich sicht- und hörbar. Wir halten gebührenden Abstand zum sechsthöchsten Berg Österreichs und steigen in einem großen Bogen um die oberen Gletscherbrüche des Taschachferners herum in Richtung Norden. Anschließend geht es  -  bei immer noch traumhaftem Wetter  -  die weiten Gletscherflächen in nordöstliche Richtung bergab.

[Bild: Abstieg über den Taschachferner]

Zwischen Séracs und Gletscherbrüchen steigen wir über spaltenarme Flanken und Firnbecken bergab Richtung Mittelbergjoch. Aufgrund der intensiven Sonnenbestrahlung ist der Firn mittlerweile stark sulzig geworden. Dadurch ist die Gefahr von Spaltenstürzen größer als noch am Vormittag  -  daher gilt besonders im Bereich südlich des Mittelbergjochs nun höchste Konzentration.

[Bild: Abstieg in Richtung der Spaltenzone südwestlich des Mittelbergjochs]

[Bild: Aus den Weiten des Taschachferners ragen Wildspitze und Hinterer Brochkogel über mächtigen Gletscherbrüchen in den Himmel]

Dort angekommen, machen wir uns vorsichtig auf, die Spaltenzone zu überqueren. Dabei geschieht jedoch das Unglück: Unser Tourenleiter Michael Kraus, der in der vorderen 4er-Seilschaft als Dritter ging, stürzt in eine Spalte. Ich als Letzter der hinteren Seilschaft kann in diesem Moment nichts machen, außer zu hoffen, dass er sich nicht verletzt hat und dass die vordere Seilschaft in sicher aus der Spalte heraus ziehen kann. Aufgrund seiner etwas unglücklichen Position innerhalb der Seilschaft dauert die Spaltenbergung länger als gedacht. Glücklicherweise ist er jedoch nicht verletzt und kann aktiv bei der Bergung mithelfen. Da er ein äußerst versierter Alpinist ist, die anderen Mitglieder der Seilschaft jedoch ebenfalls gut mithelfen, gelingt schließlich die Spaltenbergung ohne größere Komplikationen. Später am Abend wird er sich dem (natürlich nicht ernst gemeinten) Vorwurf ausgesetzt finden, dass er (um das Geübte anzuwenden) absichtlich in die Spalte gefallen ist. Nachdem unser Tourenleiter wieder sicher auf dem Gletscher steht, machen wir uns an den restlichen Abstieg zur Hütte. Nachdem wir die heikle Spaltenzone nordöstlich des Gletscherbruchs hinter uns gebracht haben, steigen wir auf dem nun wieder aperen Gletscher ohne Schwierigkeiten bergab Richtung Westen.

[Bild: Abstieg über den aperen Taschachferner  -  im Hintergrund der Kaunergrat]

[Bild: Gletscherbruchzone des Taschachferners]

Während unseres Abstiegs nimmt die Bewölkung am Himmel immer weiter zu. Zwar bleibt das Wetter während des gesamten Abstiegs mehr oder weniger schön bzw. stabil  -  der angekündigte Wetterumschwung bahnt sich aber offensichtlich an.

[Bild: Auf dem unteren Teil des Gletschers -  im Hintergrund der Pitztaler Urkund 3201 m.]

Als wir den  -  in seinem unteren Teil vollkommen aperen, blanken und teilweise mit Schutt bedeckten  -  Taschachferner schließlich verlassen, klart das Wetter noch einmal etwas auf. Nachdem wir die Gletscherausrüstung abgelegt und im Rucksack verstaut haben, geht es auf dem angelegten, aber teilweise äußerst schmalen Steig  -  hoch über den begrünten Schrofenflanken oberhalb der Moränen des Taschachferners, sowie unterhalb der Flanken des Urkundkopfs in Richtung Nordwesten.

[Bild: Wir folgen dem  -  an begrünten Schrofenflanken entlangführenden  -  Weg in Richtung Nordwesten]

[Bild: Blick zurück zum Taschachferner]

[Bild: Blick ins Taschachtal  -  in der Ferne der Geigenkamm  -  rechts die Möräne des Taschachferners]

Am oberen Ende der begrünten Felsflanke oberhalb der Hütte angekommen, geht es in Serpentinen die letzten Meter bergab zum Taschachhaus.

Dort treffen wir auch wieder auf den Teilnehmer, der im Bereich des Mittelbergjochs abgebrochen hatte und offensichtlich den Abstieg zur Hütte gut und sicher bewältigt hat. Dennoch sollte so etwas in Zukunft besser nicht allzu häufig passieren  -  denn die Sicherheit sollte bei so einer Hochtour immer an erster Stelle stehen und nicht der Gipfelwunsch aller übrigen Teilnehmer, auch wenn sich so etwas natürlich immer leichter sagt, als es letztendlich ist. Abgesehen davon treffen wir an der Hütte auch wieder auf eine weitere Teilnehmerin, die am Morgen nicht mit in Richtung Wildspitze aufgebrochen war, da sie zum einen den Gipfel vor einigen Jahren bereits einmal erreicht hatte und zum anderen, da sich bei ihr in den letzten Jahren Anzeichen einer gewissen Höhenunverträglichkeit gezeigt hatten. Sie hat an diesem Tag eine nicht weniger interessante, alternative Bergtour unternommen (Wurmtaler Kopf 3228 m.) und hat von ihrem Gipfel aus eine fantastische Aussicht auf die Wildspitze gehabt. Insofern ist dieser Tag  -  bis auf den glimpflich ausgegangenen Spaltensturz  -  für jeden gut verlaufen. Wir setzten uns an einen der Tische vor der Hütte und verbringen den restlichen Tag damit, uns über den heutigen Tag zu unterhalten und uns zu erholen. Ich beteilige mich jedoch kaum an den ausgelassenen Gesprächen. Zu sehr wirken die grandiosen Erlebnisse des heutigen Tages noch nach. Während sich der Tag langsam dem Ende zuneigt, mache ich noch ein paar Fotos und genieße die Sicht auf Taschachferner, Taschachwand und Petersenspitze  -  ein grandioses, hochalpines Bild  -  Und nun weiß ich auch, was sich dahinter befindet. Später am Abend zieht sich der Himmel immer weiter zu. Nach dem Abendessen beginnt es schließlich stark zu regnen. Bei gutem Wetter hätten wir eigentlich vorgehabt, am vierten Tag noch eine kleinere Bergtour  -  beispielsweise den Fuldaer Höhenweg  -  zu unternehmen. Die top-aktuelle Wettervorhersage des Taschachhauses sagt jedoch auch für die nächsten Tage schlechtes Wetter voraus. Mir ist es ziemlich egal  -  wir haben die Wildspitze (3768 m.)  -  höchster Berg der Ötztaler Alpen, Tirols und zweithöchster Berg Österreichs  -  über die landschaftlich vielleicht eindrucksvollste Route bestiegen  -  und das bei traumhaftem Wetter. Und wenn es morgen nur der Abstieg im Regen nach Mittelberg sein sollte, so haben wir doch drei grandiose Hochtourentage in den Ötztaler Alpen erlebt, auf die ich sehr stolz bin.

4. Tag        Taschachhaus  -  Mittelberg

Dass sich das Wetter in nächster Zeit deutlich verschlechtert, zeigt sich pünktlich am nächsten Morgen. Zunächst ist der Himmel einfach nur grau und von Wolken verdeckt  -  doch unmittelbar nach dem Frühstück beginnt ein starker, dichter Nebel vom Tal her heraufzuziehen und alles zu verschlucken.

[Bild: Wie eine Wand schiebt sich der Nebel  -  in rasanter Geschwindigkeit  -  das Tal hinauf]

Kurz danach beginnt es auch noch stark zu regnen und es ist nun ganz klar, dass wir heute nur noch auf direktem Weg nach Mittelberg absteigen. Mir persönlich tun die anderen Gruppen in der Hütte leid, die eigentlich heute oder morgen zur Wildspitze aufbrechen wollten und nun aufgrund des Wetters nichts im Freien unternehmen können. Immerhin bietet das Taschachhaus einen kleinen Klettergarten und einige Seminarräume, um Touren zu besprechen (was wir am Abend zuvor auch taten) oder beispielsweise bestimmte Knotentechniken zu üben. Bei eisigem Wind und starkem Regen machen wir uns schließlich im Nebel auf Richtung Mittelberg. Von der Hütte geht es zunächst auf einem angelegten Weg die grasige Flanke unterhalb der Hütte bergab. In einigen Kehren führt der Weg in Richtung der begrünten Moräne des Taschachferners.

[Bild: Abstieg vom Taschachhaus]

Zwischen der begrünten Moräne und der nach Nordosten führenden Bergflanke führt der Weg schließlich auf den Moränenrücken. Auf diesem geht es ein konsequent bergab.

[Bild: Abstieg über den begrünten Moränenrücken]

Am Beginn der Moräne angekommen, überqueren wir schließlich den Sexegertenbach.

[Bild: Abstieg zur Station der Materialseilbahn]

Mittlerweile haben wir auch wieder freie Sicht  -  die Nebelgrenze liegt bei etwa 2400 Metern und hüllt alles darüber in dichte Wolken. Auf den Gipfeln wird man heute nichts sehen  -  wenn es heute überhaupt Menschen gibt, die einen Gipfel im weiten Umkreis besteigen (empfehlenswert ist dies aufgrund der Wetterverhältnisse sicher nicht)  -  Nachdem wir den Bach überquert haben, wenden wir uns nach Norden und folgen dem Weg über  -  von großen Steinblöcken durchsetzte  -  Wiesen und begrünte Schrofenhänge bergab. Wir erreichen eine Anhöhe und folgen anschließend dem Steig über begrünte Hänge Richtung Osten. In Serpentinen steigen wir zügig bergab in die Talsohle und überqueren kurz darauf den Taschachbach. Bei der nahen Station der Materialseilbahn machen wir kurz Pause  -  nicht weil das Wetter so schön ist, sondern weil Einige den Rucksacktransport-Service der Hütte genutzt haben. Ich bin ja der Meinung, man sollte seine Sachen auch persönlich wieder ins Tal tragen  - vielleicht ist dies aber auch eine Frage des Alters oder aber des Ehrgeizes? Nachdem alle wieder im Besitz ihrer Rucksäcke sind, machen wir uns auch direkt auf in Richtung Mittelberg. Beim Blick zurück stelle ich fest, dass sich der Nebel etwas gelichtet hat  -  dafür wird der Regen jedoch intensiver und ich kann mir absolut nicht vorstellen, dass man bei so einem Wetter zu einer Hochtour aufbricht.

[Bild: Blick zurück zur Gletscherzunge des Taschachferners und zu den darüber aufragenden Gipfeln]

Wir haben zwar bereits zwei Drittel der gesamten Höhenmeter hinter uns, aber nun folgt der lange Weg durch das Taschachtal. Von der Materialseilbahn geht es auf breiter Fahrstraße in Richtung Nordosten. Auf dem langen Marsch  -  westlich der begrünten und steilen Schrofenhänge des Tales  -  haben wir genügend Zeit, um über die letzten Tage nachzudenken.

[Bild: Abstieg nach Mittelberg]

Den monotonen und eintönigen  -  jedoch vollkommen unschwierigen  -  Weg zurück zur Taschachalm bringen wir mehr oder weniger schnell hinter uns. An begrünten und latschendurchsetzten Hängen geht es  -  etwas oberhalb der Talsohle  -  schließlich in einem Bogen zurück zur Alm. Während des Abstiegs durch das Taschachtal sind uns einige Gruppen entgegengekommen. Sie spekulieren offensichtlich  -  trotz des Regens und der schlechten Prognosen für die nächsten Tage  -  auf eine schöne Bergtour rund um das Taschachhaus. Von der Taschachalm geht es auf einem breiten Fahrweg bergab und anschließend über eine Brücke zurück zum großen Parkplatz. Bei einem Gasthof im Pitztal gehen wir abschließend noch essen und genießen den schönen Ausklang einer rundum gelungen Hochtour.

Insgesamt gesehen waren diese vier Tage in den Ötztaler Alpen wirklich grandios. Wir haben die Wildspitze (3768 m.)  -  den höchsten Berg der Ötztaler Alpen und Tirols sowie Zweithöchster von ganz Österreich  -  bei fantastischem Wetter bestiegen. Der Aufstieg vom Taschachhaus über den gesamten Taschachferner ist im Vergleich mit anderen Normalrouten vielleicht die landschaftlich eindrucksvollste Aufstiegsmöglichkeit, bietet sie doch ein langsame Annäherung an den höchsten Gipfel im Umkreis von fast 50 Kilometern  -  sowie die vielleicht schönste und imposanteste Sicht auf den über mächtigen Gletscherbrüchen aufragenden Gipfel. Über den Charakter, die Schwierigkeiten und Gefahren des Aufstiegs auf die Wildspitze ist bereits ausreichend geschrieben worden […]  -  In jedem Fall bietet die Wildspitze wirklich eine unbeschreibliche Aussicht und auch wenn man den Berg meistens mit vielen anderen Seilschaften teilen muss, so sind die landschaftlichen Eindrücke auf den weiten Gletscherflächen des Taschachferners, das alpine Ambiente und das Prestige dieses mächtigen Berges doch allemal ein Grund, warum man die Wildspitze irgendwann besteigen sollte. Es lohnt sich! Und wenn auch das Wetter am letzten Tag sehr schlecht war, so war es in jedem Fall eine perfekt verlaufene Hochtour. Das Taschachhaus ist eine wirklich fabelhafte Hütte, die wirklich ausgezeichnetes Essen serviert und die ich mit Sicherheit nicht das letzte Mal besucht habe. Auch wer nicht unbedingt eine Hochtour von der Hütte aus plant, wird Tourenziele rund um das Taschachhaus finden, die man auch ohne Gletscherausrüstung unternehmen kann. Alles in allem eine spannende, landschaftlich äußerst eindrucksvolle, klassisch-alpine Hochtour.

[Bild: Taschferner]

 

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